Vereinigtes Königreich / USA 04.01.2021

Nein zu Auslieferungsantrag lässt Hintertür offen

Auf einer Gerichtszeichnung ist Julian Assange auf einer Bank in einem Gerichtssaal sitzend zu sehen, er trägt Anzug und Mundschutz
© picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Elizabeth Cook

Ein Gericht in Großbritannien hat am Montag (4. Januar) den Antrag der USA auf Auslieferung des Wikileaks-Gründers und -Verlegers Julian Assange abgelehnt. Reporter ohne Grenzen (RSF) ist erleichtert über diese Entscheidung, sieht die Begründung von Richterin Vanessa Baraitser aber sehr kritisch.

„Wir begrüßen die heutige Entscheidung des Londoner Gerichts, Julian Assange aus humanitären und gesundheitlichen Gründen nicht an die USA auszuliefern. Wir teilen die Einschätzung, dass eine Auslieferung angesichts der voraussichtlichen Haftbedingungen in den USA und angesichts des fragilen psychischen und körperlichen Gesundheitszustands von Julian Assange für ihn lebensbedrohlich wäre“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Die vorausgegangenen Ausführungen von Richterin Baraitser geben uns allerdings Anlass zu großer Sorge. Ihre Ansicht, dass es sich nicht um ein politisches Verfahren handelt und dass es nicht grundlegende Fragen der Pressefreiheit berührt, teilen wir in keiner Weise. Die Richterin hält die Anklagepunkte der USA in der Sache für gerechtfertigt und gibt dem Auslieferungsantrag nur deshalb nicht statt, weil Assange in schlechter gesundheitlicher Verfassung ist. Das lässt eine Hintertür offen für die Verfolgung von Journalistinnen und Journalisten weltweit, die geheime Informationen von großem öffentlichen Interesse veröffentlichen, wie es Assange getan hat.“

Mihr weiter: „Es liegt jetzt an den USA, die Anklage juristisch fallen zu lassen oder ihn politisch zu begnadigen. Das Verfahren hat zudem gezeigt, dass langfristig das US-Spionagegesetz überarbeitet werden muss, damit ausgeschlossen wird, dass es gegen Medienschaffende verwendet werden kann.“

Die US-Regierung hat bereits angekündigt, gegen die Entscheidung Berufung einzulegen. Assange wurde nach dem Gerichtstermin wieder in das Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh gebracht. Am Mittwoch (6. Januar) entscheidet die Richterin, ob er auf Kaution freikommt. RSF fordert nach wie vor Assanges unverzügliche Freilassung und wird auch den Termin am 6. Januar beobachten.

RSF war die einzige NGO, die das Auslieferungsverfahren seit Beginn im Februar 2020 kontinuierlich im Gericht mitverfolgt hat. Auch bei der heutigen Entscheidung war RSF im Gericht in London vor Ort. Wie schon während der Anhörungswochen im September hatte RSF weder einen garantierten Zugang zum Gerichtssaal noch Zugriff auf den Videolink für Medienvertreterinnen und Medienvertreter, obwohl letzteres vorab vom Gericht zugesagt worden war. Die Organisation erlangte nur deshalb Zutritt, weil Mitarbeitende seit den frühen Morgenstunden vor dem Gericht in der Kälte ausgeharrt hatten.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit belegt Großbritannien Platz 35, die USA belegen Platz 45 von 180 Staaten.



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