Griechenland
03.03.2020
Behörden müssen Journalisten schützen
Reporter ohne Grenzen (RSF) ist bestürzt über die jüngsten Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten in Griechenland und fordert die griechischen Behörden dazu auf, Medienschaffende besser zu schützen. Die griechische Bevölkerung ist angesichts der steigenden Zahl der Migrantinnen und Migranten zunehmend polarisiert. Journalistinnen und Journalisten, die über die Krise berichten, sind immer häufiger Bedrohungen und Übergriffen ausgesetzt. Gleichzeitig verurteilt RSF die Eingriffe bei der Berichterstattung durch den öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Radiosender ERT.
„In Teilen Griechenlands herrscht offenbar ein rechtsfreier Raum“, sagte der Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen, Christian Mihr. „Angesichts des Ausmaßes der migrantenfeindlichen Zusammenstöße auf mehreren griechischen Inseln ist es wichtig, dass Journalistinnen und Journalisten frei über die Vorfälle berichten und der Öffentlichkeit eine vollständige und transparente Berichterstattung bieten können.“
Am Montag sind der Fotograf Julian Busch und die Journalistin Franziska Grillmeier auf der Insel Lesbos von Rechtsradikalen mit Steinen und Holzstücken beworfen worden, als sie mit ihrem Auto auf dem Weg zum Flüchtlingslager Moria waren. Sie versperrten ihnen den Weg zur Durchfahrt an der Küstenstraße, versuchten auf das Auto zu springen, Fenster einzuschlagen und Türen aufzureißen. Grillmeier und Busch schafften es umzudrehen. Laut Busch ist die Berichterstattung von der Insel kaum noch möglich. Besonders nachts könne man nicht mehr das Haus verlassen, da rechtsradikale Gruppierungen selbst Straßensperren errichtet hätten und Journalistinnen und Journalisten gezielt angreifen würden. Die Polizei sei mit der Situation überfordert und handele meist nicht. Zudem gebe es Gerüchte darüber, dass Einheimische Fotos von Medienschaffenden und den Kennzeichen deren Autos machen würden.
Kein Schutz durch die Polizei
Am Sonntag haben Rechtsextreme den Foto- und Videojournalisten Michael Trammer auf Lesbos angegriffen, als er Fotos von einem ankommenden Flüchtlingsboot machen wollte. Sie schlugen auf ihn ein und warfen seine Kamera ins Wasser. Er zog sich eine Platzwunde und mehrere Prellungen zu. Laut Trammer war keine Polizei vor Ort. Ebenfalls am Sonntag wurde Giorgos Christides, Journalist für den Spiegel, von rechtsradikalen Aktivisten attackiert und sein Auto mit Holzstöcken beworfen. Er konnte mit seinem Auto durch die errichteten Straßensperren flüchten.
Vor einigen Wochen haben rechtsextreme Aktivisten den Deutsche-Welle-Korrespondenten Thomas Jacobi bei einem Protest gegen Migrantinnen und Migranten in Athen angegriffen. Die Angreiferinnen und Angreifer prügelten minutenlang auf Jacobis Gesicht ein, zerstörten seine Mobiltelefone und raubten ein Aufnahmegerät. Die bei der Demonstration anwesende Polizei griff nach Jacobis Schilderung nicht ein. Reporter ohne Grenzen geht weiteren möglichen Vorfällen nach.
Dass Journalistinnen und Journalisten, die über die Flüchtlingskrise berichten, in Griechenland bei ihrer Arbeit behindert werden, ist nicht neu: Ein Journalist, der 2018 über die Flüchtlingskrise auf Lesbos berichtete, wurde das Ziel von Online-Belästigungen durch Rechtsextremisten, während das Verteidigungsministerium gegen drei weitere Reporter, die über dasselbe Thema berichteten, eine Verleumdungsklage einreichte.
Griechischer Sender schränkt Berichterstattung ein
Der griechische öffentlich-rechtliche Fernseh- und Radiosender ERT schränkt zudem die Berichterstattung über die aktuelle Situation auf den griechischen Inseln ein. Berichte von den Inseln über Zusammenstöße zwischen Anwohnerinnen und Anwohnern und der Polizei können von regionalen Korrespondentinnen und Korrespondenten ohne die Zustimmung der Geschäftsführung nicht mehr auf der ERT-Webseite veröffentlicht werden. Die Eingriffe begannen, als ein Reporter einen Artikel über die mehrtägigen gewalttätigen Zusammenstöße auf Lesbos wegen der dort neu errichteten Flüchtlingslager veröffentlichte und sich weigerte diesen auf Bitte der Geschäftsführung zu entfernen. Bis dahin konnten die regionalen Korrespondentinnen und Korrespondenten ERTs selbst ihre Artikel auf der Webseite veröffentlichen. Der Nachrichtenchef von ERT, Yiannis Daskalakis, bestätigte dem Direktor des Regionalradios, Michalis Messinis, diese neue Regelung.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Griechenland auf Platz 65 von 180 Ländern.
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