Fotos für die Pressefreiheit 2020 27.04.2020

Bildband erscheint trotz Corona-Pandemie

© Lam Yik Fei für The New York Times

Der Ausbruch der Corona-Pandemie hat gerade in der Auslandsberichterstattung die Arbeit von Fotografinnen und Journalisten massiv erschwert. Die Bewegungsfreiheit ist in vielen Ländern stark eingeschränkt, Recherchereisen sind fast überall unmöglich geworden. Die meisten Kolleginnen und Kollegen können nur noch vom heimischen Schreibtisch aus arbeiten und auf die Ereignisse blicken.

„Umso kostbarer sind die bewegenden Bilder, die international tätige Fotografinnen und Fotografen für den diesjährigen Band ‚Fotos für die Pressefreiheit‘  zur Verfügung gestellt haben“, sagte Gemma Pörzgen, Vorstandsmitglied von Reporter ohne Grenzen und Chefredakteurin des Bildbandes. „Ihre eindrucksvollen Reportagen bringen uns die Welt in all ihrer Vielfalt, aber auch mit aufrüttelnden Fotos aus Kriegs- und Krisengebieten in unsere vier Wände.“

Die neue Ausgabe erscheint am 3. Mai, dem Internationalen Tag der Pressefreiheit und erinnert daran, welche Themen Reporter ohne Grenzen 2019 maßgeblich beschäftigt haben, als von Corona noch nicht die Rede war.  

Ein Schwerpunkt des Bandes sind die Massenproteste in Hongkong. Der Fotograf Lam Yik Fei hat sie vom ersten Tag an begleitet. In Aufnahmen von der Frontlinie zwischen Demonstranten und Staatsgewalt dokumentiert er die Ereignisse in seiner Heimatstadt im Ausnahmezustand. Wie die Menschen in Kaschmir den Einmarsch indischer Truppen, Ausgangssperren und eine monatelange Kommunikationsblockade erlebt haben, erzählen die Bilder des Fotografen Dar Yasin. Sie zeigen eine Region, die zu zerbrechen droht, und unerschütterliche Kaschmiris, die der Krise trotzen.

Erschütternde Aufnahmen hat die brasilianische Fotografin Alice Martins aus Syrien mitgebracht. Jedes einzelne ihrer Bilder ist Zeugnis eines Krieges, der kein Ende findet und der Bevölkerung unbeschreibliches Leid zumutet. Von Konflikt, Tod und Trauma berichtet auch Andrés Cardona aus Kolumbien: In seiner Fotostrecke „Wreck Family“ verwebt er ältere Fotos seiner ermordeten Angehörigen und nachgestellte Szenen seiner Familiengeschichte zu einer albtraumhaften Erzählung über den Kampf zwischen der Regierung und der FARC-Guerilla.

Ein Land in der Sinnkrise zeigen die Aufnahmen des britischen Fotografen Andrew Testa. Seit dem EU-Referendum 2016 hat er die kleinen zwischenmenschlichen Gräben und die großen politischen Spaltungen im Vereinigten Königreich dokumentiert, die sich in der Gesellschaft auftun. Der Fotograf Wassim Ghozlani versucht mit seinen Schwarzweißaufnahmen die visuelle Geschichte seines Heimatlandes Tunesien neu zu schreiben und touristischen Klischees zu widersprechen. In Tansania hat die US-amerikanische Fotografin Nicky Woo einen seltenen Einblick in die Arbeit der „Mgangas“, der traditionellen Hexendoktoren und Kräuterheiler, gewonnen und lässt uns an ihren Erfahrungen teilhaben.

Insgesamt 19 Fotografinnen und Fotografen haben Reporter ohne Grenzen ihre Werke für diese 26. Ausgabe des Fotobuchs unentgeltlich überlassen. Neben einem Faktenteil mit dokumentarisch gehaltenen Texten enthält das Buch sieben Fotoessays. In diesen beschreiben  Autorinnen und Autoren aus der Ich-Perspektive der Fotografinnen und Fotografen, wie diese ihren Arbeitsalltag gestalten und das mit ihrem persönlichen Leben vereinen.

Reporter ohne Grenzen finanziert sich neben Spenden und Mitgliedsbeiträgen auch mit Hilfe des Fotobuchs. Daran arbeitet jedes Jahr ein festes Team unter der Leitung der Fotoredakteurin Barbara Stauss. Der Erlös fließt vollständig in die Pressearbeit und Nothilfe von Reporter ohne Grenzen, so wie beispielsweise in Anwaltskosten und medizinische Hilfe für verfolgte Journalistinnen und Journalisten.

Wegen der geltenden Ausgangsbeschränkungen in der Coronakrise kann das Fotobuch – anders als in den vergangenen Jahren – nicht  im Berliner Gorki Theater präsentiert werden. Eine geplante Veranstaltung mit dem britischen Fotografen Andrew Testa und der London-Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung, Cathrin Kahlweit, über die Brexit-Berichterstattung musste leider abgesagt werden.



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