Aserbaidschan
11.06.2015
Bundestag kritisiert Gastgeber der Europaspiele
Reporter ohne Grenzen begrüßt den geplanten Entschließungsantrag des Bundestags zur Lage der Menschenrechte in Aserbaidschan. Zur Eröffnung der ersten Europaspiele in der Hauptstadt Baku wollen die Regierungsfraktionen von CDU/CSU und SPD am Freitag die systematische Verletzung der Menschenrechte im Gastgeberland anprangern. Aserbaidschans Regierung hat seit dem vergangenen Sommer praktisch alle verbliebenen Oppositionsmedien und unabhängigen Journalisten zum Schweigen gebracht. Ein ARD-Fernsehreporter erhielt nun trotz wochenlanger Bemühungen keine Akkreditierung, um im Vorfeld der Spiele im Land zu recherchieren.
„Dass der Bundestag die Lage der Menschenrechte in Aserbaidschan anprangert und Respekt für die Pressefreiheit einfordert, ist ein wichtiges Signal zum Auftakt der Europaspiele“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr in Berlin. „Die aserbaidschanische Regierung sollte dieses sportliche Großereignis nutzen, um im olympischen Geist zu handeln und Menschenrechte wie die Pressefreiheit zu respektieren. Die Freilassung aller inhaftierten Journalisten wäre dazu ein guter Anfang.“
Konkreter Bezug zu den Europaspielen aus dem Antrag gestrichen
In ihrem Entschließungsantrag stellen die Regierungsfraktionen fest, dass sich die Menschenrechtslage in Aserbaidschan seit der Präsidentenwahl 2013 massiv verschlechtert hat. Insbesondere die Rechte auf Meinungs-, Presse-, Religions-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit würden systematisch verletzt. Zugleich rufen die Parlamentarier die Bundesregierung auf, sich weiter für die sofortige und bedingungslose Freilassung der politischen Gefangenen in Aserbaidschan einzusetzen und die Regierung in Baku zur Gewährung von Pressefreiheit für einheimische wie ausländische Journalisten und Internetaktivisten zu drängen.
ROG bedauert, dass der ausdrückliche Bezug zu den am Freitag beginnenden Europaspielen aus dem Text des Entschließungsantrags gestrichen wurde. Ursprünglich hatte auf der Tagesordnung des Bundestages ein Antrag der Regierungsfraktionen mit dem Titel „Europa-Spiele in Aserbaidschan für die Einhaltung der Menschenrechte nutzen“ gestanden. Nun soll eine abgeschwächte Version verabschiedet werden.
Reporter ohne Grenzen bedauert zudem, dass in dem Antrag keine konkreten Fälle verfolgter Journalisten und Menschenrechtsverteidiger erwähnt werden. Derzeit sind in Aserbaidschan mindestens acht Journalisten und vier Blogger wegen ihrer Arbeit im Gefängnis. Unter ihnen sind die seit Dezember in Untersuchungshaft sitzenden Investigativjournalistin Khadija Ismajilowa, der im Januar wegen „Rowdytums“ zu fünf Jahren Haft verurteilte Journalist Seymour Haziyew sowie der im April 2014 aus der Türkei abgeschobene und seitdem in Untersuchungshaft festgehaltene Korrespondent Rauf Mirkadirow. Viele weitere Medienschaffende haben das Land aufgrund von Schikanen und drohender Verhaftung verlassen.
Sportpolitischer ARD-Reporter erhielt keine AkkreditierungZu den jüngsten Beispielen für die systematische Unterdrückung kritischer Berichte gehört auch der Fall des sportpolitischen ARD-Reporters Florian Bauer. Der Journalist hatte sich seit dem 28. April um eine Akkreditierung und ein Visum für Aserbaidschan bemüht, um im Vorfeld der Europaspiele vor Ort zu recherchieren. Nach einem vergeblichen ersten Anlauf zum Finale des Radrennens Tour d’Azerbaidjan Anfang Mai stellte er am 5. Mai einen entsprechenden Antrag beim Organisationskomitee der Europaspiele.
In den Wochen darauf bat er auch die aserbaidschanische Botschaft in Berlin sowie das Außen- und das Sportministerium in Baku um Unterstützung. Akkreditierung und Visum hat Bauer bis heute nicht erhalten und konnte die geplante Recherche vor Ort deshalb nicht verwirklichen. Die aserbaidschanische Botschaft in Berlin verwies gegenüber Reporter ohne Grenzen zur Begründung auf lange Bearbeitungszeiten und gab an, der Akkreditierungsantrag des Journalisten sei noch in Bearbeitung.
Schon in der Vergangenheit hat Aserbaidschan wiederholt ausländische Journalisten an der Einreise gehindert. Einige stehen auf einer „schwarzen Liste“ des Außenministeriums in Baku mit den Namen zahlreicher ausländischer Journalisten, Wissenschaftlern und Politiker, denen keine Visa erteilt werden sollen. Vor den Europaspielen ließ das Außenministerium verlauten, ausländische Journalisten, die „gegen die Interessen“ Aserbaidschans berichteten oder „verzerrte Informationen“ verbreiteten, müssten mit dem Entzug ihrer Akkreditierung rechnen.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit belegt Aserbaidschan Platz 162 von 180 Ländern.
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