Deutschland 07.01.2020

BVerfG verhandelt über BND-Gesetz

Bundesverfassungsgericht
© picture alliance/Uli Deck/dpa

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) verhandelt ab dem kommenden Dienstag (14.01.) zwei Tage lang darüber, ob die Überwachung des weltweiten Internetverkehrs durch den Bundesnachrichtendienst (BND) verfassungsmäßig ist. Anlass für die mündliche Verhandlung ist die Verfassungsbeschwerde gegen das BND-Gesetz der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) und fünf Medienorganisationen, darunter Reporter ohne Grenzen. Das erwartete Grundsatzurteil wird das erste zur BND-Überwachung seit über 20 Jahren sein und könnte den internationalen Menschenrechtsschutz beim Telekommunikationsgeheimnis sowie die Pressefreiheit deutlich stärken.

„Die Digitalisierung ermöglicht Geheimdiensten zahlreiche neue Formen der Überwachung, aber die Grundrechte bleiben dabei völlig auf der Strecke“, sagte Ulf Buermeyer, Vorsitzender der GFF. „De facto gilt das Telekommunikationsgeheimnis für den BND nicht mehr. Wir brauchen dringend einen zeitgemäßen Schutz davor, dass ein Geheimdienst den weltweiten Internet-Verkehr ohne jeden konkreten Verdacht und ohne richterliche Anordnung mitlesen kann.“

Die vom BVerfG veröffentlichte Gliederung der mündlichen Verhandlung deutet darauf hin, dass die Bundesregierung viele Fragen wird beantworten müssen, insbesondere dazu, wie die Internet-Überwachung durch den BND konkret aussieht. Dass das Gericht so viele Fragen hat, zeigt bereits, wie viel der Gesetzgeber im Unklaren gelassen hat. Auch die völlig unzureichende Kontrolle der Auslandsüberwachung wollen die Richterinnen und Richter des Ersten Senats diskutieren.

Der Fall wirft zudem die Grundsatzfrage auf, ob deutsche Behörden im Ausland die Grundrechte des Grundgesetzes beachten müssen. Die Bundesregierung verneint das. „Das halten wir für eine absurde Ansicht. Artikel 1 des Grundgesetzes bindet die Regierung an die Grundrechte – unabhängig davon, ob sie im In- oder im Ausland aktiv wird“, sagte Buermeyer. „Auch Menschen im Ausland sind Menschen und haben ein Recht auf Privatsphäre. Gerade ein deutscher Geheimdienst sollte nicht frei entscheiden dürfen, ob er dieses Recht achtet oder nicht.“

Dieser unzureichende Grundrechtsschutz im BND-Gesetz hatte die klagenden ausländischen Journalistinnen und Journalisten zu ihrer Verfassungsbeschwerde bewegt. „Es entsteht eine große Unsicherheit unter Medienschaffenden, weil man nie wissen kann, ob man überwacht wird“, sagte Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen. „Zudem wissen wir nicht, was zwischen den Geheimdiensten ausgetauscht wird.“ Die Beschwerdeführenden befürchten, dass sich Informantinnen und Informanten aus Angst vor der permanenten Überwachung nicht mehr mit sensiblen Themen an Journalistinnen und Journalisten wenden wollen. Ferner könnte der BND auch das deutsche Redaktionsgeheimnis umgehen, wenn er bei internationalen Großrecherchen wie den Panama-Papers die ausländischen Partnermedien deutscher Redaktionen überwachen.

Gegen das BND-Gesetz klagen unter anderem die Trägerin des Alternativen Nobelpreises, Khadija Ismayilova und die internationale Menschenrechtsorganisation Reporters sans Frontières. Verfahrensbevollmächtigter ist der renommierte Mainzer Verfassungsrechtler Prof. Dr. Matthias Bäcker. Die Klage koordiniert die Gesellschaft für Freiheitsrechte gemeinsam mit Reporter ohne Grenzen Deutschland, dem Deutschen Journalisten-Verband, der Deutschen Journalistinnen und Journalisten Union dju in ver.di, dem Recherchenetzwerk n-ost sowie dem netzwerk recherche.



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