China 27.05.2021

Wirksame Mechanismen gegen Propaganda

Ein Mann geht über eine Aussichtsplattform, von der aus man das graue, torartige Hauptgebäude von CCTV und CGTN sehen kann
Hauptsitz von CCTV und dessen Auslandssender CGTN in Peking © picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Mark Schiefelbein

Jüngste Entscheidungen europäischer Medienaufsichtsbehörden gegen den staatlichen chinesischen Auslandssender CGTN haben verdeutlicht, dass Demokratien dringend Mechanismen schaffen müssen, um sich gegen die Propaganda autoritärer Regime zu wehren. Denn diese können von ihnen kontrollierte Inhalte ins Ausland exportieren, während sie gleichzeitig unabhängige Medien im eigenen Land stark einschränken. Der Sender CGTN etwa, der in der Vergangenheit erzwungene Geständnisse übertragen hat, ist mittlerweile in mindestens 140 Ländern zu empfangen und betreibt Produktionszentren auf drei Kontinenten. Gleichzeitig schränkt Peking die Arbeit von Auslandskorrespondentinnen und -korrespondenten und internationalen Medien in China durch Schikanen etwa bei der Visavergabe, Überwachung und Zensur immer weiter ein. Demokratien müssen auf dieses Ungleichgewicht reagieren. Reporter ohne Grenzen empfiehlt daher, dass demokratische Länder ausländischen Medien die gleichen positiven Verpflichtungen auferlegen wie ihren eigenen Medien.

„Die Globalisierung von Nachrichten und Informationen kann ein enormer Fortschritt für die Menschheit sein, solange sie Diktaturen und ihren Propagandamedien keinen Wettbewerbsvorteil gegenüber Demokratien und ihren freien, unabhängigen Medien verschafft“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Demokratien brauchen wirksame Mechanismen, um der Propaganda autoritärer Regierungen zu begegnen. Schutzmaßnahmen sind legitim und sogar notwendig, vorausgesetzt, sie schränken zu keinem Zeitpunkt die journalistische Freiheit, Unabhängigkeit und den Pluralismus ein.“

In demokratischen Ländern schützen Gesetze die Freiheit, Unabhängigkeit und den Pluralismus von Nachrichtenmedien. Sie können ohne vorherige Kontrolle Inhalte veröffentlichen, gleichzeitig ist der inländische Medienmarkt offen für ausländische Medien. Doch staatliche Medien, die in anderen Ländern ansässig sind und unter der direkten Kontrolle autoritärer Regierungen stehen, können dieses System ausnutzen und Inhalte senden, die die grundlegendsten Prinzipien des Journalismus verletzen. 

Um dem zu begegnen, fordert RSF demokratische Regierungen auf, Medien, die aus dem Ausland senden, die gleichen Verpflichtungen aufzuerlegen wie inländischen Sendern. Um ihre Frequenzen nutzen zu dürfen, müssen sich ausländische Rundfunkmedien verpflichten, bestimmte grundlegende Standards zu respektieren, deren Verletzung sanktioniert werden kann. Zu den Standards gehören Aufrichtigkeit, Pluralismus und Achtung der Menschenwürde.

Um der Propaganda keinen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen schlägt RSF zudem ein System der Gegenseitigkeit (Reziprozität) vor, das auf den universellen Prinzipien der Meinungs- und Informationsfreiheit beruht. Demokratische Länder könnten die Öffnung ihres eigenen Medienmarktes an die Öffnung des Medienmarktes in von autoritären Regimen regierten Ländern knüpfen. Anstatt die Schließung und Abschottung von Medienräumen zu verstärken, zielt diese Idee darauf ab, mehr Offenheit und Respekt für universelle Prinzipien zu fördern.

Europäische Medienaufsichtsbehörden treffen widersprüchliche Entscheidungen

Wie wichtig es ist, dass demokratische Länder wirksame Mechanismen gegen die Propaganda autoritärer Regime schaffen, zeigt sich am Beispiel des chinesischen staatlichen Auslandssenders CGTN. So entzog die britische Medienaufsichtsbehörde Ofcom CGTN im Februar 2021 die Sendelizenz und begründete dies mit dem Einfluss der chinesischen Regierung auf das Programm. Im März verhängte die Behörde eine Geldstrafe gegen den Sender für die Ausstrahlung eines erzwungenen Geständnisses des ehemaligen Journalisten Peter Humphrey. Nach der Ofcom-Entscheidung wurde der Sender auch in Deutschland zunächst nicht mehr ausgestrahlt. Hintergrund ist ein europäisches Abkommen zu grenzüberschreitendem Fernsehen, wonach Sender aus Drittstaaten nur eine Lizenz aus einem EU-Mitgliedstaat brauchen, um in der ganzen Region zu senden. Trotz Brexit wäre die britische Lizenz weiterhin gültig gewesen.

Frankreichs Medienaufsicht CSA entschied hingegen Anfang März, dass CGTN weiterhin „frei und ohne vorherige Formalitäten“ durch den französischen Satellitenbetreiber Eutelsat ausgestrahlt werden kann, da ausländische Satellitenfernsehsender nach französischem Recht keine vorherige Genehmigung benötigen. Seit dieser Entscheidung ist CGTN wieder im Kabelnetz von Vodafone Deutschland zu sehen.

Rolle und Expansion von CGTN

CGTN gilt als Speerspitze der internationalen Propaganda Pekings und wird direkt von der Propagandaabteilung der Kommunistischen Partei Chinas kontrolliert. Der Sender produziert an großen Standorten in Afrika, Amerika und Europa maßgeschneiderte Programme für die jeweiligen Märkte. Zuletzt eröffnete CGTN im Dezember 2018 in London einen zentralen Produktionsstandort für Europa. Der Ausbau von Auslandsmedien ist Teil einer internationalen Medienstrategie Chinas, die RSF 2019 in einem umfassenden Bericht untersucht hat.

CGTN hat in der Vergangenheit zudem erzwungene Geständnisse übertragen, neben Humphrey war auch der Verleger Gui Minhai davon betroffen. Der Auslandssender gehört zum staatlichen Fernsehsender CCTV, der laut Angaben der Menschenrechts-NGO Safeguard Defenders seit 2013 bereits Dutzende solcher „Geständnisse“ ausgestrahlt hat. Unter den Betroffenen war auch die ehemalige Deutsche-Welle-Mitarbeiterin Gao Yu.

Erschwerte Arbeit für Auslandskorrespondentinnen und -korrespondenten

Während Medien wie CGTN expandieren, werden Auslandskorrespondentinnen und -korrespondenten sowie internationale Medien in China immer stärker in ihrer Arbeit eingeschränkt. Ein beliebtes Druckmittel der Behörden: Die Vergabe von Visa. Im ersten Halbjahr 2020 haben die Behörden laut dem Club der Auslandskorrespondenten (FCCC) in Peking mindestens 18 ausländische Journalistinnen und Journalisten des Landes verwiesen. Einige Medienschaffende erhalten zudem lediglich Kurzzeitvisa. Hinzu kommen weitere Schikanen und Überwachung ausländischer Medien vor Ort. Der BBC-Korrespondent John Sudworth hat nach Drohungen und Druck der chinesischen Behörden Ende März zusammen mit seiner Familie China verlassen und berichtet seitdem aus Taiwan. Wie der Sender berichtete, wurde Sudworth überwacht, eingeschüchtert und an der Arbeit gehindert.

Die Behörden setzen zudem immer wieder die chinesischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausländischer Medien unter Druck: Sie werden laut FCCC verhört, in sozialen Medien verunglimpft, als „unpatriotisch“ beschimpft und teils sogar festgenommen. So sitzt etwa Haze Fan, Mitarbeiterin der Nachrichtenagentur Bloomberg, seit Dezember vergangenen Jahres in Haft. Sie soll angeblich „die nationale Sicherheit gefährdet“ haben. Auch die Zensur ausländischer Medien gehört zu den Werkzeugen des Regimes. So wurden in der Vergangenheit Nachrichtenseiten wie die der New York Times, des Guardian oder von Bloomberg gesperrt, auch deutsche Medien waren schon betroffen. Zudem kommt es vor, dass bei kritischen Fernsehbeiträgen ausländischer Sender die Bildschirme kurzzeitig schwarz werden, wie etwa im Mai 2020, als die BBC über Pekings sogenanntes Sicherheitsgesetz für Hongkong berichtete. Im Februar 2021 haben die chinesischen Behörden den Sender BBC World News wegen „gesetzeswidriger Inhalte“ komplett verboten.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht China auf Rang 177 von 180 Staaten. Mindestens 115 Medienschaffende sitzen dort wegen ihrer Arbeit im Gefängnis, mehr als in jedem anderen Land der Welt.



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