Saudi-Arabien 04.03.2015

Druck für Freilassung Raif Badawis gefordert

Raif Badawi im Jahr 2012 © AFP Photo / Family Ho

Reporter ohne Grenzen fordert Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel auf, sich bei seiner bevorstehenden Reise nach Saudi-Arabien mit Nachdruck für die bedingungslose Freilassung des Bloggers Raif Badawi einzusetzen. Angesichts des nun drohenden weiteren Prozesses gegen Badawi mit der Gefahr eines Todesurteils hält die Organisation diplomatische Zurückhaltung dabei für fehl am Platze.

„Unverbindliche Appelle hinter verschlossenen Türen reichen nicht aus“, sagte ROG-Vorstandssprecher Michael Rediske. Bundeskanzlerin Angela Merkel habe etwa bei Ihrer China-Reise im vergangenen Sommer gezeigt, dass man durchaus öffentlich für Menschenrechte werben könne, ohne Türen zuzuschlagen. „Wirtschaftsminister Gabriel sollte sich offensiv für Badawi starkmachen. Mit einer Regierung, die so brachial gegen abweichende Stimmen vorgeht, darf es kein business as usual geben.“

Badawi wurde im vergangenen September zu zehn Jahren Gefängnis und 1000 Stockschlägen verurteilt, außerdem zu einer hohen Geldstrafe und einem zehnjährigen Ausreiseverbot im Anschluss an seine Haftstrafe. Die Stockschläge, die ursprünglich in wöchentlichem Abstand mit je 50 Schlägen ausgeführt werden sollten, sind nach dem ersten Mal am 9. Januar wegen der schweren Verletzungen bislang von Woche zu Woche verschoben worden. Dem Mitbegründer der Diskussionswebsite Liberal Saudi Network wurden unter anderem kritische Online-Kommentare über die saudische Religionspolizei zur Last gelegt, mit denen er gegen das Gesetz gegen Internetverbrechen verstoßen habe.

Laut Badawis Ehefrau wird nun in saudischen Justizkreisen erwogen, dem Blogger wegen Abfalls vom islamischen Glauben den Prozess zu machen, worauf im Königreich die Todesstrafe durch Enthauptung steht. Vom selben Vorwurf war er 2013 schon einmal freigesprochen worden.

Alltägliche Zensur, verschärfte Repressionen gegen Online-Aktivisten

Und Raif Badawi ist kein Einzelfall. Zensur ist in Saudi-Arabien alltäglich. Verboten sind etwa Kritik an Religionsführern und ungenehmigte Berichte über Gerichtsverfahren. Bestraft werden auch Berichte über die Proteste der schiitischen Minderheit oder Kritik an der Diskriminierung von Frauen. Hunderttausende Internetseiten sind gesperrt.

Seit dem vergangenen Jahr hat das Königreich insbesondere die Verfolgung von Online-Aktivisten verschärft, die über soziale Medien die Regierung kritisieren. So wurde im Juli eine fünfjährige Haftstrafe für Michlif al-Schammari bestätigt, einen prominenten Kritiker der systematischen Diskriminierung der schiitischen Minderheit Saudi-Arabiens. Zu seiner Strafe für das „Stiften von Unfrieden“ und Kritik an saudischen Funktionären in seinen Online-Schriften gehört auch ein zehnjähriges Reiseverbot. Drei Tage nach Schammari wurde der Menschenrechtsaktivist Walid Abu al-Chair für seine Kritik an den saudischen Behörden in sozialen Medien und Medieninterviews verurteilt.

Ende Juni verurteilte ein Gericht in Riad den Menschenrechtsaktivisten Fausan al-Harbi unter anderem wegen Verstößen gegen das Gesetz über Internetverbrechen zu sieben Jahre Haft, einem siebenjähriges Reiseverbot sowie einem Veröffentlichungsverbot in sozialen Medien. Eine Woche zuvor war der freie Fotojournalist Dschassim Mekki Aal Safar in Jedda zu sieben Jahren Haft und einem siebenjährigen Reiseverbot verurteilt worden – unter anderem, weil er sich mit ausländischen Journalisten getroffen und weil er per YouTube Videos und Fotos veröffentlicht habe, die dem Ruf Saudi-Arabiens schaden könnten.

Schon im Februar 2014 hatte ein Gericht in Riad den Fernsehunternehmer und -moderator Waddschi Al-Ghassawi zu zwölf Jahren Haft, einem zwanzigjährigen Reiseverbot sowie einem lebenslangen Verbot von Fernsehauftritten verurteilt. Ihm wurde unter anderem zur Last gelegt, dass er Saudi-Arabien in seiner Sendung „Al-Fadfada” Verbindungen zu Terroristen und insbesondere zu Al-Kaida vorgeworfen hatte.

Brachiales Vorgehen gegen Berichte über Proteste im Osten des Landes

Ebenfalls im Februar 2014 wurde bei einer Polizeirazzia in der Provinz Al-Katif im Osten Saudi-Arabiens der Fotograf und Kameramann Hussein Ali Madan Al-Faradsch getötet, der dort die seit 2011 andauernden Proteste der schiitischen Minderheit fortlaufend dokumentiert hatte. Die Journalistin Safa Al-Ahmad, die für die britische BBC in rund dreijährigen verdeckten Recherchen eine Dokumentation über die – nicht zuletzt infolge einer umfassenden Nachrichtensperre – international kaum beachteten Proteste im Osten des Landes gedreht hatte, wurde aufgefordert, nicht mehr in ihre Heimat zurückzukehren.

Spezialisten des kanadischen Citizen Lab haben in einer modifizierten Version einer Smartphone-App für Nachrichten aus Al-Katif Überwachungssoftware des italienischen Anbieters Hacking Team nachgewiesen. Auf solchermaßen gekaperten Geräten könnten Behörden Anrufe, E-Mails, Kurznachrichten sowie Social-Media-Apps ausforschen und sogar Kamera und Mikrofon ohne Wissen des Handybesitzers anschalten.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Saudi-Arabien auf Platz 164 von 180 Ländern. 



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