Serbien 08.11.2024

Gewalttätige Attacken auf Reporter

Menschen zünden Kerzen an, um den Opfern zu gedenken, die beim Einsturz des Daches eines Bahnhofs in Novi Sad, Serbien, ums Leben kamen. Aggressivere Proteste in den Tagen danach machten die Regierung für das Unglück verantwortlich. © picture alliance / PIXSELL | Borna Jaksic
Menschen zünden Kerzen an, um den Opfern zu gedenken, die beim Einsturz des Daches eines Bahnhofs in Novi Sad, Serbien, ums Leben kamen. Aggressivere Proteste in den Tagen danach machten die Regierung für das Unglück verantwortlich. © picture alliance / PIXSELL | Borna Jaksic

Vier Medienteams wurden kürzlich angegriffen, als sie über regierungskritische Proteste in Serbien berichteten. Zuvor waren mindestens 14 Menschen Anfang November nach dem Einsturz eines Betondaches am Bahnhof Novi Sad in Nordserbien ums Leben gekommen. Es folgten Demonstrationen, welche Korruption und nachlässige Restaurationsarbeiten für das Desaster verantwortlich machten. Der gewalttätige Umgang mit Medien, welche die Proteste nach dem tödlichen Unfall dokumentierten, machte einmal mehr deutlich, welche Gefahren denjenigen drohen, die in Serbien im öffentlichen Interesse berichten.

„Das Recht auf Propaganda ersetzt in Serbien das Recht auf Information. Wer Medienschaffende angreift, wird als Opfer dargestellt. Viel zu häufig werden die Taten von Politikerinnen und Politikern relativiert. Die EU-Kommission muss nun ihren Blick auf das Sorgenkind Serbien richten und die Behörden weiterhin dazu drängen, endlich Maßnahmen gegen diese Entwicklung zu ergreifen“, sagt RSF-Geschäftsführerin Anja Osterhaus.

Zu den aktuellen Angriffen

Am 5. November, im Rahmen der regierungskritische Proteste nach dem Bahnhofsunglück in Nordserbien, zertrümmerten Gewalttäter die Kamera des unabhängigen serbischen Senders N1 und warfen einen Kameramann von Euronews zu Boden, während Reporter des lokalen Radiosenders 021 mit Farbe und Plastikflaschen angegriffen wurden. Nach einer anderen Demonstration gegen den Abriss einer Brücke in Belgrad in derselben Nacht griff ein rechtsextremer Politiker den Kameramann der Nachrichtenagentur FoNet an und bedrohte ihn mit dem Tod. 

Diese Vorfälle reihen sich in die lange Geschichte unkontrollierter Gewalt gegen Medienschaffende in Serbien ein. Hierzu gehört auch die ungelöste Ermordung des Reporters Slavko Curuvija im Jahr 1999. Eine Stiftung unter seinem Namen hatte im Februar 2024 ihre Verärgerung über den Freispruch des Angeklagten gezeigt und wurde daraufhin vom Beschuldigten mit Verleumdungsklagen überzogen. RSF fordert: Die Stimmen, die die Straflosigkeit gegenüber Medienschaffenden anprangern, dürfen nicht zum Schweigen gebracht werden.

Die größten Probleme der serbischen Pressefreiheit

In Serbien wird der Zugang der Bürgerinnen und Bürger zu vertrauenswürdigen Informationen durch russische Propaganda und missbräuchliche Klagen (engl. Strategic Lawsuit Against Public Participation, kurz: SLAPPs) gegen die Medien weiter untergraben. Angriffe gegen Journalistinnen und Reporter werden häufig nicht juristisch aufgearbeitet und die Täter gehen straffrei aus. RSF hatte diese Fragen während seiner Mission in Belgrad vom 31. Oktober bis 4. November mit Reporterinnen, EU-Vertretern sowie Informationsminister Dejan Ristic und der Medienberaterin des serbischen Präsidenten, Suzana Vasiljevic, erörtert. Eine besondere Gewichtung erfuhren hierbei drei Punkte: Maßnahmen gegen russische Propaganda, fehlgeleitete Diffamierungs-Klagen und Angriffe gegen Medienschaffende sowie die zu häufige Straffreiheit dieser Verbrechen.

Als Reaktion auf RSF-Untersuchungen erinnerte die Europäische Kommission Serbien Anfang Oktober daran, dass „es als Kandidatenland für die EU-Mitgliedschaft [...] dringend Maßnahmen zur Bekämpfung der Manipulation und Beeinflussung ausländischer Informationen ergreifen muss“. In ihrem Jahresbericht über Serbien, der am 30. Oktober veröffentlicht wurde, forderte die Europäische Kommission Serbien auf, Strategien zur Sicherheit von Medienschaffenden und gegen SLAPPs zu ergreifen. Das Land habe im vergangenen Jahr „keine Fortschritte“ bei der Meinungsfreiheit gemacht, heißt es zudem in dem Bericht.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Serbien auf Platz 98 von 180 Ländern und damit im Hinblick auf alle EU- sowie EU-Beitrittsländer auf dem vorletzten Platz.

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