INTERNATIONAL
01.07.2016
Facebook muss Sperrung von Konten erklären
Reporter ohne Grenzen ist besorgt über die kurzfristige Sperrung von Facebook-Profilen renommierter Journalisten durch das US-amerikanische soziale Netzwerk. Dem französischen Hörfunk-Journalisten und Terrorismus-Experten David Thomson verweigerte Facebook zuletzt für 48 Stunden den Zugang zu seinem Benutzerkonto, weil auf einem Foto aus dem Jahr 2013 die Flagge des sogenannten „Islamischen Staates“ zu sehen war. Zeitgleich berichtete die Nachrichtenagentur Reuters von neuen Filtersystemen bei Facebook und YouTube, mit denen automatisiert Hass- und Terrorbotschaften aus dem Netz entfernt werden sollen.
Reporter ohne Grenzen appelliert an deutsche und europäische Politiker, den Kampf gegen Hass- und Terrorpropaganda nicht allein den Betreibern von Internetplattformen und sozialen Netzwerken zu überlassen. „Über die Grenzen der Meinungsfreiheit muss öffentlich diskutiert werden“, forderte ROG-Vorstandsmitglied Matthias Spielkamp. „Wir dürfen eine so sensible Frage nicht undurchsichtigen Prozessen von Unternehmen überlassen, die in erster Linie wirtschaftlichen Interessen folgen und sich der Pressefreiheit im Zweifel nicht so stark verpflichtet fühlen, wie es in einer Demokratie der Fall sein müsste. In einem Rechtsstaat sollten unabhängige Gerichte entscheiden, was gesagt werden darf und was nicht – egal ob online oder offline.“
Reporter ohne Grenzen fordert die Bundesregierung deshalb auf, Facebook auf die neuen Vorfälle anzusprechen und gemeinsam Lösungen zu entwickeln, die die Meinungs- und Pressefreiheit stärker schützen.
Automatische Filtersysteme Gefahr für die Meinungsfreiheit
Die Nachrichtenagentur Reuters hatte berichtet, YouTube und Facebook hätten automatisierte Verfahren erarbeitet, um Propaganda-Botschaften des IS und anderer Extremistengruppen den Zugang zum Netz zu verwehren. Die verwendete Technik war ursprünglich entwickelt worden, um urheberrechtlich geschützte Inhalte zu identifizieren und zu löschen. Die beteiligten Unternehmen wollten den Bericht nicht bestätigen. Mehrere mit den Verfahren vertraute Personen sagten laut Reuters, die Firmen lehnten eine öffentliche Diskussion ab, weil sie Terroristen keinen Einblick in ihre Verfahren verschaffen und verhindern wollten, dass autoritäre Regime die Technologie gegen ihre Gegner einsetzten. Reporter ohne Grenzen kritisiert diese restriktive Informationspolitik scharf.
„Der Fall von David Thomson zeigt, wie gefährlich es ist, wenn globale Internetkonzerne allein über Fragen der Meinungs- und Pressefreiheit entscheiden“, sagte Matthias Spielkamp. Zwar sei nicht erwiesen, dass Thomsons Profil wegen der neuen Filtersysteme blockiert wurde. „Es ist aber sehr auffällig, dass plötzlich ein vier Jahre altes Foto gelöscht wird, weil darauf im Hintergrund eine IS-Flagge zu sehen ist und das Profil eines renommierten Journalisten daraufhin für zwei Tage gesperrt wird. Kern des Problems ist, dass Facebook keine Auskunft darüber gibt, wie und warum solche Profile gesperrt werden und sich weigert, über die Abwägung zwischen dem Verbot der Terrorpropaganda und dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung Rechenschaft abzulegen.“
Nutzerkonten von Terrorismus-Experten gesperrt
Der Journalist David Thomson von Radio France International berichtet vor allem über internationalen Terrorismus und hat immer wieder damit zu kämpfen, dass sein Facebook-Account blockiert wird. Nachdem sein Konto am 20. Juni für 24 Stunden gesperrt worden war, drohte ihm Facebook am folgenden Tag wegen eines weiteren strittigen Fotos damit, seinen Account für drei Tage zu blockieren. Erst nach einem Anruf bei Facebook konnte der Journalist wieder auf sein Konto zugreifen. 2014 sei sein Benutzerkonto sogar ohne jede Vorwarnung gesperrt worden, sagte Thomson gegenüber ROG (http://t1p.de/srv6). Mehrere Wissenschaftler und Journalisten, die sich mit dem Terrorismus befassen, haben in den vergangenen Monaten ähnliche Erfahrungen gemacht.
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