Welttag gegen Straflosigkeit 02.11.2017

"Forbidden Stories" führt Recherchen fort

Journalist Javier Valdez wurde am 15. Mai 2017 in Culiacán ermordet © AP

Zum heutigen Welttag gegen Straflosigkeit für Verbrechen an Journalisten starten Reporter ohne Grenzen (ROG) und die Plattform Freedom Voices Network das Projekt Forbidden Stories, das die investigativen Recherchen inhaftierter oder ermordeter Journalisten weiterführt. Dafür schicken Medienschaffende, die bedroht werden, ihr Material verschlüsselt an ein Netzwerk von Journalisten, die ihre Recherchen im Notfall fertigstellen und veröffentlichen. Forbidden Stories sendet damit eine klare Botschaft an die Feinde der Pressefreiheit weltweit, die kritische Berichterstattung oft um jeden Preis verhindern wollen.

„Ziel des Projekts Forbidden Stories ist es, die Arbeit von Journalisten fortzusetzen, die das selber nicht mehr tun können – weil sie bedroht, inhaftiert oder getötet wurden. Wir möchten ihre Geschichten am Leben erhalten und sicherstellen, dass so viele Menschen wie möglich Zugang zu unabhängigen Informationen haben über so wichtige Themen wie Umwelt, Gesundheitswesen, Menschenrechte und Korruption“, sagte Freedom Voices Network-Gründer Laurent Richard.

„Mit dem Projekt zeigen wir, dass sich die Stimmen unabhängiger Journalisten auch nicht durch Mord oder Gefängnisstrafen unterdrücken lassen“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr.

Forbidden Stories ist ein gemeinnütziges Projekt, das von Freedom Voices Network initiiert wurde, einer Plattform für Investigativjournalismus. Reporter ohne Grenzen ist Partner des Projekts, das von der philanthropischen Investmentfirma Omidyar Network finanziert wird.

Journalisten, die zu heiklen Themen recherchieren oder bedroht werden, können ihre Dateien mittels verschlüsselter Kommunikation wie dem Messenger-Dienst Signal oder der Whistleblower-Software SecureDrop an Forbidden Stories schicken. Dadurch werden ihre Recherchen an einem sicheren Ort aufbewahrt. Ohne ihre Zustimmung werden sie nicht veröffentlicht. Die Journalisten können zudem Anweisungen verschicken, wann und wie ihre Recherchen fortgesetzt werden sollen. Sollte ihnen etwas zustoßen, kann Forbidden Stories die Recherchen abschließen und dank eines Kooperationsnetzwerks verschiedener Medien umfassend verbreiten.

Forbidden Stories wird die Recherchen gemeinsam mit internationalen Medienpartnern aus Print- und Online Medien, TV und Radio durchführen. Die investigativen Berichte werden dann auf der ganzen Welt veröffentlicht. Zudem werden auf sozialen Medien wie Twitter und Facebook regelmäßig kurze Videos in verschiedenen Sprachen veröffentlicht, um die Recherchen so vielen Menschen wie möglich zugänglich zu machen.

"Verbotene Geschichten" aus Mexiko

Die ersten Geschichten, die Forbidden Stories aufgreift, kommen aus Mexiko. In dem zentralamerikanischen Land wurden seit Jahresbeginn mindestens elf Journalisten wegen ihrer Arbeit ermordet – mehr als in den Kriegsländern Syrien oder Irak. Unter ihnen sind die Journalisten Cecilio Pineda, Miroslava Breach und Javier Valdez. Sie wurden wegen ihrer investigativen Recherchen über Drogenkartelle umgebracht. In kurzen für soziale Netzwerke konzipierten Videos beleuchtet Forbidden Stories die heiklen und provokanten Geschichten, an denen die Journalisten kurz vor ihrem Tod gearbeitet haben. Für eine größtmögliche Reichweite wurden die Videos in neun Sprachen übersetzt.

Insgesamt wurden seit Jahresbeginn mindestens 47 professionelle Journalisten, fünf Blogger und acht Medienmitarbeiter wegen ihrer Arbeit getötet. Fast 300 Medienschaffende sitzen derzeit weltweit in Haft.

Kampf gegen Straflosigkeit

Viele Verbrechen an Journalisten bleiben ungestraft. Zwar gibt es eine ganze Reihe von UN-Resolutionen für einen besseren Schutz für Journalisten vor allem in Konfliktgebieten. Sie hatten aber bislang kaum konkrete Auswirkungen auf die Lage der Betroffenen. Organisiertes Verbrechen, korrupte Justizsysteme sowie Politiker und Sicherheitsbehörden, die oft selbst von kriminellen Netzwerken profitieren, befeuern einen Kreislauf der Straflosigkeit: Weil die Täter und ihre Auftraggeber fast nie bestraft werden, fühlen sich Nachahmer ermutigt.

Vor diesem Hintergrund wirbt ROG bei den Vereinten Nationen um die Einsetzung eines an zentraler Stelle im UN-Apparat angesiedelten Sonderbeauftragten für den Schutz von Journalisten. Dieser sollte unter anderem als Frühwarnsystem für UN-Organe wie den Weltsicherheitsrat fungieren, wenn Staaten ihre völkerrechtlichen Pflichten zum Schutz von Medienschaffenden nicht einhalten. Außerdem sollte er Übergriffe gegen Journalisten untersuchen, Schutz- und Präventionsmechanismen vorschlagen und eine einheitliche Strategie der UN gegen das Problem der Straflosigkeit entwickeln. Als erstes Parlament weltweit hat sich im Juni der Bundestag hinter die Forderung von ROG gestellt, einen UN-Sonderbeauftragten für den Schutz von Journalisten zu berufen.

Die UN-Vollversammlung hatte 2013 den 2. November als jährlichen Welttag gegen Straflosigkeit festgelegt, um auf die fortdauernde Untätigkeit vieler Staaten bei der Bekämpfung von Verbrechen an Journalisten aufmerksam zu machen. 



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