Fußball-EM
10.06.2024
Hinweisgebersystem geht verspätet online
Immer wieder überschatten Nachrichten über Korruption und Machtmissbrauch den Spitzensport – nicht zuletzt im Zusammenhang mit großen Sportereignissen wie der Fußball-Europameisterschaft (EM) der Herren, die am 14. Juni mit dem Auftaktspiel in München startet. Um dieses Risiko zu verringern, sollte schon vor Jahren ein Hinweisgebersystem eingerichtet werden, über das Whistleblower vertraulich oder anonym Hinweise auf Verstöße geben können – eins der effektivsten Mittel, um solche Missstände aufzudecken. Heute ist das Hinweisgebersystem für die EM online gegangen.
„Wir begrüßen sehr, dass der Meldekanal für die Fußball-EM nun endlich online ist“, sagt Advocacy-Referentin Sophie von Waitz von Reporter ohne Grenzen (RSF). „Allerdings kommt die Eröffnung des Kanals viel zu spät. Es war schon bei der Vergabe der Spiele vor sechs Jahren klar, dass die Veranstalter einen Meldekanal einrichten müssen.“
Ein anonymes Hinweisgebersystem ist nicht nur wichtig, um Berichte von Whistleblowern zu ermöglichen. Auch Journalistinnen und Journalisten nehmen oft hohe Risiken auf sich, um Korruption und Machtmissbrauch im Spitzensport an die Öffentlichkeit zu bringen. Sie werden zum Teil aktiv an Recherchen behindert. Zudem sind Medienschaffende bei großen Sportevents immer wieder Beleidigungen und Übergriffen ausgesetzt.
Mit dem Meldekanal der EM können sich Hinweisgebende und Medienschaffende nun zumindest gegen Repressionen absichern. Denn das Hinweisgeberschutzgesetz greift häufig nur, wenn Whistleblower einen Hinweis an einen nicht-öffentlichen Meldekanal abgeben, bevor sie an die Öffentlichkeit gehen. Dass dies die Hürde für die Aufdeckung von Missständen im öffentlichen Interesse erhöht und die Zusammenarbeit zwischen Hinweisgebenden und Medienschaffenden erschwert, hat RSF bereits kritisiert.
RSF berät EM-Ausrichter
RSF hat sich seit über einem Jahr im Rahmen der Euro 2024 Stakeholder Initiative, in dem zahlreiche, zumeist deutsche Fan- und Athletenverbände sowie NGOs die Ausrichter auf Menschenrechtsrisiken hinwiesen, für ein unabhängiges und vertrauliches Meldesystem eingesetzt. So war RSF auch an der EM-Menschenrechtserklärung, in der sich die EM ausdrücklich zum Schutz der Pressefreiheit bekennt, beratend beteiligt.
RSF ist seit Mai 2024 Mitglied im EM-Menschenrechtsrat – einem unabhängigen Beratungsgremium, das sich aus 10 Personen und Verbänden im Bereich Sport und Menschenrechte, wie der Sports and Rights Alliance zusammensetzt – und wird die Situation der Pressefreiheit im Verlauf des Turniers kritisch begleiten sowie vertraulich bei der Bearbeitung von Fällen im Bereich der Presse- und Informationsfreiheit beraten.
Sorge vor Datensammlung und Überwachung
RSF hatte die UEFA, die EURO 2024 GmbH sowie das Bundesinnenministerium aufgefordert, möglichen Risiken für die Pressefreiheit bereits im Vorfeld aktiv zu begegnen: bei der Akkreditierung, beim Schutz von Whistleblowern sowie insbesondere hinsichtlich der Gefahren für den Quellenschutz durch unverhältnismäßige Datensammlung und Überwachung.
Denn: Bei Sportgroßveranstaltungen werden zunehmend Technologien genutzt, die große Mengen an Daten sammeln. Bei den Ende Juli beginnenden Olympischen Spielen in Paris ist der Einsatz von Überwachungskameras mit Erkennungssystemen auf KI-Basis geplant, auch als Reaktion auf den Terroranschlag in Moskau im März, bei dem 130 Menschen getötet wurden. Mit Blick auf die Fußball-EM forderten auch deutsche Politikerinnen und Politiker eine Ausweitung der Befugnisse von Polizei und Nachrichtendiensten.
RSF ist besorgt über diesen Ruf nach unverhältnismäßigen und grundrechtlich umstrittenen Überwachungsmaßnahmen. Medienschaffende brauchen Sicherheit, dass sie bei den Spielen nicht überwacht werden. Einmal gesammelte Daten müssen verlässlich gelöscht werden und nicht etwa in unberechtigte Hände gelangen: Vor der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland im Jahr 2018 war bekannt geworden, dass deutsche Behörden Namen aus der umstrittenen „Datei Gewalttäter Sport“ an Russland weitergegeben hatten. Unter anderem setzt sich RSF dafür ein, dass bei der EM keine Überwachungskameras mit Erkennungssystemen auf KI-Basis eingesetzt werden.
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