Großbritannien / USA 10.12.2021

Gericht erlaubt Assange-Auslieferung an die USA

Protestplakat für Freiheit von Julian Assange. ©picture alliance /AA /Hasan Esen
Protestplakat für Freiheit von Julian Assange. ©picture alliance /AA /Hasan Esen

Reporter ohne Grenzen (RSF) verurteilt die Entscheidung des britischen High Court, die Auslieferung des Wikileaks-Gründers Julian Assange an die USA zu erlauben. Dort würde ihm wegen der Veröffentlichung von Informationen von großem öffentlichen Interesse eine lebenslange Haftstrafe drohen. RSF fordert erneut, Assange unverzüglich freizulassen. Die US-Regierung muss sich an ihre selbst auferlegten Verpflichtungen zum Schutz der Medienfreiheit halten und den nun schon über ein Jahrzehnt andauernden Prozess gegen Assange endlich und endgültig aufgeben.

Am heutigen Freitag (10.12.) gab der britische High Court der Berufung der US-Regierung statt und hob die Entscheidung des Bezirksgerichts vom 4. Januar auf, die Auslieferung von Assange aus Gründen seiner psychischen Gesundheit abzulehnen. Trotz seines besorgniserregenden psychischen Zustands und einer ernsthaften Suizidgefahr, die von mehreren medizinischen Sachverständigen bestätigt wurde, akzeptierte der High Court die diplomatischen Zusicherungen der US-Regierung bezüglich seiner möglichen Behandlung im US-Gefängnissystem und entschied, dass er an die Vereinigten Staaten ausgeliefert werden kann.

In seiner Entscheidung stellte der High Court fest, dass Bezirksrichterin Vanessa Baraitser den USA ihre vorläufige Auffassung hätte mitteilen müssen, um den USA die Möglichkeit einzuräumen, dem Gericht zu diesem Zeitpunkt Zusicherungen zu geben. Das Gericht ist davon überzeugt, dass diese mittlerweile durch die USA ausgesprochenen Zusicherungen die Bedenken der Bezirksrichterin ausräumen. Das Gericht ordnete die Rückverweisung des Falles an den Westminster Magistrates' Court an, der den Fall anschließend an die britische Innenministerin weiterleiten soll. Diese wird entscheiden, ob Assange an die Vereinigten Staaten ausgeliefert werden darf. Die Verteidigung hat weiterhin die Möglichkeit, Berufung einzulegen.

„Die heutige Entscheidung wird sich als historisch erweisen, aber aus den falschen Gründen“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Wir sind der festen Überzeugung, dass Julian Assange wegen seines Beitrags zum Journalismus ins Visier genommen wurde. Sein Prozess wird gefährliche Auswirkungen auf die Pressefreiheit auf der ganzen Welt haben. Es ist an der Zeit, dieser mehr als zehn Jahre andauernden Verfolgung ein für alle Male ein Ende zu setzen. Es ist an der Zeit, Julian Assange freizulassen.“

Sollte Assange tatsächlich an die USA ausgeliefert werden, drohen ihm bis zu 175 Jahre Gefängnis. Trotz der Versicherungen der USA wäre zu befürchten, dass er seine Strafe in Isolations- oder Einzelhaft verbringen muss. Das Risiko eines Suizids würde sich dramatisch verschärfen.

Die 18 Punkte der US-Anklage unter anderem auf Grundlage des US-Spionagegesetzes beziehen sich auf die Veröffentlichung von mehreren hunderttausend geheimen Militärdokumenten und diplomatischen Depeschen durch Wikileaks im Jahr 2010. Assange wäre der erste Verleger, der nach dem US-Spionagegesetz angeklagt wird; ein Präzedenzfall mit möglicherweise direkten Folgen für jede Redaktion, in deren Berichterstattung Informationen aus den Wikileaks-Dokumenten eingeflossen sind. Eine Anklage wäre ein brandgefährliches Signal an jede Journalistin, jeden Verleger und jede Quelle weltweit.

„Dieses Urteil markiert einen düsteren Moment für den Journalismus auf der ganzen Welt – und das ausgerechnet an dem Tag, an dem wir die Verleihung des Friedensnobelpreises an eine Journalistin und einen Journalisten feiern“, sagte Rebecca Vincent, RSF-Direktorin für internationale Kampagnen. „Gerade erst haben die Staaten auf dem von den USA geführten Gipfel für Demokratie ihre Verpflichtungen zur Medienfreiheit bekräftigt. Wir fordern die US-Regierung auf, mit gutem Beispiel voranzugehen und diesen Fall jetzt abzuschließen. Julian Assange muss sofort freigelassen werden, und es sollten Schritte unternommen werden, um sicherzustellen, dass keine Journalistin, kein Verleger und keine Informantin jemals wieder auf diese Weise angegriffen werden kann.“

RSF ist die einzige Nichtregierungsorganisation, die das gesamte Auslieferungsverfahren trotz der von den Gerichten auferlegten strengen Beschränkungen beobachtet hat. Die Organisation wird auch in Zukunft alle weiteren Verfahren beobachten und sich energisch dafür einsetzen, dass die US-Regierung das Verfahren einstellt und Julian Assange freigelassen wird.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit stehen die USA auf Platz 44 und Großbritannien auf Platz 33 von 180 Ländern.



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