Syrien
02.06.2014
Gewalt gegen Journalisten muss ein Ende haben
Anlässlich der Präsidentenwahl in Syrien am (morgigen) Dienstag fordert Reporter ohne Grenzen die Bürgerkriegsparteien auf, ihre systematischen Angriffe auf Journalisten einzustellen und alle verhafteten oder entführten Medienschaffenden freizulassen. Wegen der gezielten, von allen Seiten ausgehenden Gewalt ist Syrien derzeit das gefährlichste Land der Welt für Journalisten. In den mehr als drei Jahren des Konflikts sind Hunderte professionelle Berichterstatter, Bürgerjournalisten und Medienmitarbeiter getötet, willkürlich festgenommen, verhaftet, gefoltert oder entführt worden.
„Journalisten riskieren in Syrien täglich Leib und Leben, um trotz massiver Risiken und Drohungen verlässliche Informationen etwa über Menschenrechtsverletzungen und über das Leid der Millionen Vertriebenen im Land zusammenzutragen“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. Zugleich betonte er, dass Journalisten nach dem Völkerrecht auch in Konfliktgebieten als Zivilisten geschützt sind. „Präsident Baschar al-Assad und seine Regierung, aber auch die verschiedenen Rebellengruppen müssen endlich das Menschenrecht der Syrer respektieren, sich und andere frei zu informieren. Die internationale Gemeinschaft steht in der Pflicht, die fortlaufenden Verletzungen des Menschenrechts auf Pressefreiheit in Syrien mit allen geeigneten Mitteln zu verfolgen.“
In der Arbeit von Reporter ohne Grenzen schlägt sich die massive Bedrohungslage für syrische Journalisten deutlich nieder. Rund die Hälfte aller Anfragen an das ROG-Referat für Nothilfe und Flüchtlingsarbeit seit Jahresbeginn sind von syrischen Journalisten gekommen. Aktuell bemüht sich ROG, für mehrere in die Nachbarländer Syriens geflohene Medienschaffende eine Aufnahme in Deutschland zu erreichen. Eine Reihe bereits hier eingetroffener Journalisten unterstützt die Organisation im Aufnahmeverfahren.
Seit dem Beginn der Proteste gegen das Assad-Regime im März 2011 sind in Syrien mehr als 150 Medienschaffende getötet worden, die meisten davon einheimische Bürgerjournalisten. Dutzende werden von Assads Sicherheitskräften und Geheimdiensten festgehalten, sind in Geiselhaft von Rebellengruppen oder werden vermisst. Staatliche Sicherheitskräfte und regimenahe Milizen üben seit Anfang der Erhebung systematisch Vergeltung an unbotmäßigen Journalisten. Seit etwa Mitte 2012 häufen sich auch Drohungen, Übergriffe und Entführungen insbesondere dschihadistischer Rebellengruppen. In der Region Hasaka im Nordosten Syriens nehmen Schikanen und Übergriffe paramilitärischer Gruppen mit Verbindungen zur Kurdenpartei PYD zu.
Die Leidtragenden sind Bürgerjournalisten wie Ali Mahmud Othman, Mohamed Nur al-Schemali, von denen seit ihrer Festnahme durch staatliche Sicherheitskräfte im März bzw. Dezember 2012 jede Spur fehlt. Ebenso gehören Reporter wie Obeida Batal vom Fernsehsender Orient TV dazu, der im Juli 2013 von Bewaffneten aus seinem Büro entführt wurde. (http://bit.ly/1u7xsTk) Ungewiss bleibt auch das Schicksal von Mazen Darwish, Hussein Ghrer und Hani al-Saitani vom Syrischen Zentrum für Medien und Meinungsfreiheit, die seit Februar 2012 in Haft sind und sich vor einem Anti-Terror-Gericht wegen „Propaganda für terroristische Aktivitäten“ verantworten müssen. Ebenso wie Razan Zeitouneh, Wael Hamada, Samira Khalil und Nasem Hammadi vom Violations Documentation Center hatten sie Informationen über die Menschenrechtssituation in Syrien zusammengetragen sowie Zahlen und Identitäten der Verhafteten, Verschwundenen und Getöteten dokumentiert.
Zusammen mit anderen Menschenrechtsorganisationen hat ROG auch die Kampagne Free Syria’s Silenced Voices gestartet, um die Verhaftung verhafteter oder entführter Medien- und Menschenrechtsaktivisten zu erreichen. (Mehr dazu auch unter dem Twitter-Hashtag #freeSYvoices.)
Ausführliche Informationen über die Bedrohungen für Journalisten und Medien in dem Bürgerkriegsland enthält der ROG-Bericht „Journalismus in Syrien – ein Ding der Unmöglichkeit?“ von Dezember 2013.
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