Kirgistan
08.02.2018
Haftstrafe wegen Verleumdungsstreit?
Dem renommierten Investigativjournalisten Kabaj Karabekow droht in Kirgistan eine Haftstrafe, weil er eine hohe Entschädigung an Präsident Sooronbaj Dscheenbekow nicht kurzfristig bezahlen kann. Ein Gericht in der Hauptstadt Bischkek hatte im vergangenen Oktober geurteilt, Karabekow habe den Politiker in einem Artikel bei der Nachrichtenagentur 24.kg verleumdet und müsse ihm fünf Millionen Som (59.000 Euro) zahlen. Am Dienstag (6.2.) lehnte dasselbe Gericht nun den Antrag des Journalisten ab, die verhängte Summe in mehreren Raten zu bezahlen. Zugleich ordnete es wegen der nicht geleisteten Zahlung ein Strafverfahren gegen Karabekow an, das nach kirgisischem Recht in einer Haftstrafe von einem bis zwei Jahren münden könnte.
„Die Repressalien gegen Kabaj Karabekow sind ein durchsichtiger Versuch, einen unbequemen Journalisten mundtot zu machen“, sagte der Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen, Christian Mihr. „Dieser Fall illustriert auf beunruhigende Weise, wie unabhängige Journalisten und kritische Medien in Kirgistan immer stärker unter Druck geraten. Auch die Justiz spielt dabei eine unrühmliche Rolle; sie sollte Journalisten schützen, anstatt den Schikanen gegen sie den Anschein der Rechtsstaatlichkeit zu verleihen.“
Unter den ehemaligen Sowjetrepubliken in Zentralasien gilt Kirgistan als vergleichsweise freies und pluralistisches Land. Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht es auf Platz 89 von 180 Staaten weltweit.
Zehn Tage Zahlungsfrist für drastische Entschädigungssumme
Karabekow hatte in seinem Artikel, der am 11. September auf dem Portal 24.kg erschien, Gerüchte über Verbindungen des damaligen Präsidentschaftskandidaten Dscheenbekow zu mutmaßlich extremistischen arabischen Organisationen thematisiert. Der Politiker verklagte ihn daraufhin auf fünf Millionen Som und bekam am 5. Oktober vor einem Bezirksgericht in Bischkek recht. Eine gleichlautende Forderung gegen 24.kg hat Dscheenbekow inzwischen zurückgezogen.
Am 16. Januar forderte die Justiz den Journalisten auf, die Summe von fünf Millionen Som zuzüglich einer Verwaltungsstrafe von weiteren 500.000 Som für die verspätete Zahlung innerhalb von zehn Tagen zu begleichen; der Gesamtbetrag entspricht in Kirgistan rund 65 durchschnittlichen Jahreseinkommen. In der kurzen Frist konnte Karabekow den hohen Betrag jedoch nicht aufbringen. Das Gericht gab nun am Dienstag weder seiner Bitte um Zahlungsaufschub statt noch seinem Einwand, er habe Revision eingelegt und bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung den Rechtsweg noch nicht ausgeschöpft.
Karabekow wurde inzwischen außerdem mit einem Ausreiseverbot belegt. Er erfuhr davon, als ihn die Grenzbehörden Ende Januar am Grenzübertritt nach Kasachstan hinderten.
Karabekow ist einer der renommiertesten Journalisten Kirgistans. Bekannt wurde er in den 1990er Jahren als Journalist der Zeitung Wetschernij Bischkek. Später arbeitete er für die britische BBC, die deutsche ARD und als Korrespondent der russischen Zeitung Kommersant, zwischenzeitlich auch als Pressesekretär des ersten kirgisischen Präsidenten Askar Akajew. Von 2000 bis 2010 war Karabekow Parlamentsabgeordneter. Seit 2015 schreibt er als freier Journalist für Medien wie 24.kg, Kommersant und das auf Zentralasien spezialisierte Nachrichtenportal C-1.
Drastische Gerichtsurteile gegen kritische Medien
Die Repressalien gegen Karabekow sind kein Einzelfall. Am 30. November bestätigte Kirgistans Oberstes Gericht mehrere Urteile, mit denen das Nachrichtenportal Zanoza, dessen beide Gründer Dina Maslowa und Narynbek Idinow sowie drei Mitangeklagte wegen angeblicher Beleidigung von Ex-Präsident Almasbek Atambajew zu insgesamt 40 Millionen Som (472.000 Euro) Entschädigung verpflichtet wurden. Auf das Portal Zanoza entfallen davon 15 Millionen, auf Idinow neun Millionen und auf Maslowa drei Millionen Som.
Anträge der Verurteilten, die Summen in Raten abbezahlen zu dürfen, wies ein Berufungsgericht am Mittwoch (7.2.) ab. Um die Summe aufzubringen, muss Idinow nach Auffassung der kirgisischen Justiz seinen Anteil an seiner Wohnung versteigern, die ihm gemeinsam mit seiner Mutter und seiner Schwester gehört. Auch die Verurteilten in diesem Rechtsstreit wurden mit Ausreiseverboten belegt.
Vergangenen August verfügte ein Gericht in Bischkek ohne jede Vorwarnung die Schließung des oppositionellen Fernsehsenders Sentjabr wegen angeblich „extremistischer Äußerungen“ eines hochrangigen Ex-Funktionärs in einem Live-Interview. Auch dieses Urteil wurde inzwischen vom Obersten Gericht bestätigt.
Der beliebte Fernsehsender NTS, der dem Oppositionsführer Omurbek Babanow gehört, wurde am 19. Dezember durchsucht. Danach ordnete ein Gericht in Bischkek an, sein Vermögen einzufrieren. Auslöser war eine Anzeige einer obskuren Offshore-Gesellschaft. NTS konnte schließlich eine Übergangslösung aushandeln und seinen Sendebetrieb wieder aufnehmen, nachdem der Sender eine Inventarliste seiner gesamten Ausrüstung vorlegte.
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