08.03.2005
Internationaler Frauentag: ROG ehrt bedrohte Journalistinnen weltweit
Während die Welt am 8. März den Internationalen Frauentag feiert, ist eine französische Reporterin Geisel im Irak; vier weitere Reporterinnen sind anderswo für ihre Recherchen und Berichte hinter Gittern. Fünf Journalistinnen starben seit dem 8. März 2004 wegen oder während ihrer Arbeit.
Reporter ohne Grenzen zollt diesen Journalistinnen, Internet-Dissidentinnen und Internetnutzerinnen große Anerkennung für ihren Einsatz für die Pressefreiheit. Sie riskieren ihre Freiheit und ihr Leben, um die öffentlichkeit zu informieren. „Wir rufen die internationale Gemeinschaft auf, sich für die Freilassung von Frauen im Irak, in Ruanda, auf den Malediven, in der Türkei und im Iran einzusetzen. Die meisten Morde an Journalistinnen wurden nicht geahndet. Die Regierungen müssen für Gerechtigkeit sorgen“, appelliert die Menschenrechtsorganisation zum 8. März.
636 Journalisten wurden seit 1992 wegen oder während ihrer Arbeit getötet. 38 davon waren Frauen.
Eine Frau als Geisel im Irak
Florence Aubenas, 43, wurde am 5. Januar 2005 mit ihrem irakischen Mitarbeiter Hussein Hanoun al-Saadi entführt. Die erfahrene Journalistin war seit dem 16. Dezember 2004 für die französische Tageszeitung Libération in Bagdad. Seit 1986 berichtete Florence Aubenas von Konflikten aus Ruanda, dem Kosovo, Algerien und Afghanistan und wurde mehrfach ausgezeichnet.
Vier Journalistinnen ihrer Freiheit beraubt
Die österreichische Journalistin Sandra Bakutz wurde am 10. Februar 2005 in Istanbul von der türkischen Polizei verhaftet. Der jungen Frau wird die „Mitgliedschaft in einer verbotenen Organisation“ vorgeworfen. Ihr drohen bis zu 15 Jahren Gefängnis. Die Reporterin war in die Türkei gereist, um über einen Prozess gegen etwa 100 linksradikale Extremisten zu berichten.
Fatimath Nisreen, 25, ist seit Januar 2002 ihrer Freiheit beraubt, weil sie den Online-Newsletter Sandhaanu verbreitete. Sandhaanu berichtete von Menschenrechtsverletzungen auf den Malediven. Wegen Diffamierung wurde Fatimath Nisreen im Sommer 2002 zu zehn Jahren Haft verurteilt. 2003 wurde ihre Strafe auf eine fünfjährige Verbannung reduziert. Seit dem Urteil lebt sie auf der Insel Feeail im Exil.
Am 2. März 2005 verhaftete die iranische Polizei die Webloggerin Najmeh Oumidparva (http://www.faryadebeseda.persianblog.com – Dawn of Freedom). Sie ist die Ehefrau des Webloggers Mohamad Reza Nasab Abdolahi, der ebenfalls hinter Gittern ist. Najmeh Oumidparva ist im dritten Monat schwanger und wird wohl zehn Tage in Haft bleiben. Wenige Tage vor ihrer Verhaftung veröffentlichte die Webloggerin eine Nachricht ihres Mannes. Darin forderte er kurz vor seiner Festnahme das Recht auf freie Meinungsäußerung und schrieb, er warte auf die Handschellen der Polizei.
In Ruanda ist Tatiana Mukakibibi, Moderatorin und Produzentin des Unterhaltungsprogrammes für Radio Ruanda, seit Oktober 1996 in Haft. Sie arbeitete zusammen mit dem Priester André Sibomana, ehemaliger Herausgeber von Ruandas ältester Zeitung Kinyamateka. Tatiana Mukakibibi lebt unter harschen Haftbedingungen in Ntenyo, Gitarama. Der Journalistin wird ein Mord vorgeworfen. Aber Reporter ohne Grenzen konnte beweisen, dass es keinen stichhaltigen Beweis gegen sie gibt.
In den vergangenen Monaten wurden weltweit Dutzende Journalistinnen verhaftet. Unter ihnen ist Internetjournalistin Mahboubeh Abbasgholizadeh, die im Iran einen Monat hinter Gittern saß, weil sie für reformistische Websites schrieb. Ihre Kollegin Fereshteh Ghazi war für ihre Artikel vom 28. Oktober bis zum 7. Dezember in Haft. Sie wurde körperlich und geistig geschwächt aus dem Gefängnis entlassen.
Journalistinnen in Somalia, Weißrussland, Nicaragua und Irak getötet
Kate Peyton, 39, Korrespondentin der BBC in Somalia, wurde am 9. Februar 2005 tödlich verletzt. Bewaffnete Männer schossen der Journalistin in den Rücken, als sie das Mogadischu Hotel betrat, um den Sprecher des transnationalen Parlaments zu treffen.
Die irakische Journalistin Raeda al-Wasan, 40, wurde am 25. Februar 2005 in Mossul tot aufgefunden. Fünf Tage zuvor war sie von maskierten Männern entführt worden. Ein Nachrichtensprecher des öffentlichen Regionalfernsehens Al Iraqiya berichtete, sie starb durch einen Kopfschuss. Eine irakische Gruppe, die mit Al Quaida in Verbindung steht, hat sich zu dem Mord bekannt. Es bestand bisher allerdings keine Möglichkeit, die Glaubwürdigkeit ihrer Aussage zu überprüfen.
Veronika Cherkasova wurde im Oktober 2004 ermordet in ihrem Haus in Minsk gefunden. Die Journalistin recherchierte zu diesem Zeitpunkt über Waffenhandel von Weißrussland nach Irak unter Saddam Hussein. Obwohl die Indizien dagegen sprechen, besteht die Polizei darauf, das Verbrechen als Tat im Affekt zu betrachten. Der Ermittlungsbeamte hat ihren 15-jährigen Sohn belästigt.
In Nicaragua wurde im November 2004 María José Bravo, 26, getötet, als sie über Konflikte in der Nähe eines Wahllokals berichtete.
Im Iran behindert die Justiz noch immer die Strafverfolgung der Mörder von Zahra Kazemi, einer iranisch-kanadischen Fotografin. Die 54-jährige starb am 11. Juli 2003 in einem Teheraner Gefängnis, nachdem sie in einer Befragung von Beamten brutal auf den Kopf geschlagen wurde.
Journalistinnen belästigt wegen investigativer Berichterstattung
Die Reporterin Anna Politkovskaya von der russischen Tageszeitung Novaya Gazeta leidet – besonders in Tschetschenien - unter ständigen Drohungen und Behinderungen ihrer Nachforschungen. Im September 2004 wurde sie - wahrscheinlich von russischen Geheimagenten - vergiftet, als sie nach Beslan reiste, um über das dortige Schulmassaker zu berichten. Sie hat den Anschlag überlebt.
In den USA droht Judith Miller, Journalistin der New York Times, eine bis zu 18-monatige Gefängnisstrafe wegen „Missachtung des Gerichts". Sie hatte sich geweigert, ihre Quellen in der US Regierung offenzulegen, die sie im Rahmen ihrer Enthüllungen nutzte.
Die unabhängige kolumbianische Journalistin Claudia Julieta Duque erhält seit September 2004 Morddrohungen. Damals veröffentlichte sie einen Artikel über den Mord an Journalist und Humorist Jaime Garzón.
Frauen, die sich für ihre verhafteten oder verschollenen Ehemänner einsetzen
In Kuba demonstrieren jeden Sonntag „Die Frauen in Weiß“, die Ehefrauen der 75 im März 2003 festgenommen politischen Häftlinge. In den Straßen von Havanna fordern sie schweigend die Freilassung ihrer Männer.
Die Ehefrauen von verhafteten Journalisten in China und Birma bieten regelmäßig den Beamten die Stirn, um ihre Männer zu besuchen und ihnen Essen und Medikamente zu bringen, die die Behörden ihnen verweigern. Die Frauen riskieren auch Opfer von Vergeltungsmaßnahmen zu werden, um mit der internationalen Presse zu sprechen. Zeng Li, Frau von Cyberdissident Huang Qi, verlor durch die Repressalien der Polizei ihre Arbeit und ihr Haus.
Isatou Kamara informiert internationale Organisationen unermüdlich über die Notlage ihres Mannes Paul Kamara. Er ist seit Oktober 2004 im Gefängnis von Freetown in Sierra Leone.
In Frankreich bemühen sich Osange Kieffer und Fabienne Nérac weiterhin darum, ihre vermissten Ehemänner zu finden, die in Elfenbeinküste bzw. im Irak verschollen sind. „Jeder will mich dazu bringen, seinen Tod zu akzeptieren. Aber ich füge mich nicht. Ich muss weiter kämpfen. Ich brauche Beweise, und meine Kinder auch,“ sagt die Frau von Fred Nérac, der im März 2003 in Basra verschwand.
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