Tschetschenien
19.04.2017
Journalisten der Nowaja Gaseta schützen
Reporter ohne Grenzen fordert die russischen Behörden auf, die Sicherheit der Journalistin Elena Milaschina und ihrer Kollegen von der Zeitung Nowaja Gaseta zu garantieren und die Urheber der Drohungen gegen sie zur Rechenschaft zu ziehen. Seit die Zeitung Anfang April eine Recherche Milaschinas und ihrer Kollegin Irina Gordijenko über schwere Menschenrechtsverletzungen an Homosexuellen in Tschetschenien veröffentlicht hat, sind sie massiven Drohungen der politischen und religiösen Führung der russischen Teilrepublik ausgesetzt.
„Die Drohgebärden der tschetschenischen Führung gegen die Journalisten der Nowaja Gaseta sind unerträglich. Leider muss man solche Drohungen sehr ernst nehmen, weil im Nordkaukasus schon öfter kritische Berichterstatter ermordet wurden“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. „Die russische Regierung muss endlich den Teufelskreis von Gewalt gegen Journalisten und Straflosigkeit für die Täter in Tschetschenien stoppen.“
Der Nowaja-Gaseta-Recherche zufolge wurden in Tschetschenien im Februar und März mehr als 100 Menschen als mutmaßliche Homosexuelle festgenommen und in Geheimgefängnissen gefoltert. Mindestens drei Menschen sollen ermordet worden sein. Nach der Veröffentlichung des Berichts bezeichnete Adam Schahidow, ein Berater des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow, die Journalisten der Nowaja Gaseta als „Feinde unseres Glaubens und unseres Vaterlands“.
Bei einer Protestversammlung politischer und religiöser Würdenträger in der größten Moschee der tschetschenischen Hauptstadt Grosny, an der nach offiziellen Angaben 15.000 Menschen teilnahmen, wurde am 3. April eine Resolution gegen die Zeitung verabschiedet. Darin wurde den Journalisten Vergeltung angedroht, „wo auch immer und wer auch immer sie seien“. Die Nowaja Gaseta erklärte danach, sie fürchte um die Sicherheit ihrer Mitarbeiter. Zugleich rief sie die russischen Behörden auf, allen Aktivitäten Einhalt zu gebieten, mit denen Hass gegen die Zeitung geschürt werde.
Der tschetschenische Mufti Salah Meschijew sagte, die „Rache Gottes“ werde die Journalisten treffen. Der tschetschenische Informationsminister Jambulat Umarow forderte den Chefredakteur der Nowaja Gaseta in einem auf Instagram veröffentlichten Brief auf, sich beim tschetschenischen Volk zu entschuldigen. Auch solle die Zeitung aufhören, „Hysterie“ über „nicht existierende Bedrohungen“ zu schüren, damit nicht jene die Situation ausnutzten, „die ungleich mehr als wir die Nase voll haben von Ihrer Zeitung“.
Reporterin wegen Drohungen aus Moskau geflohen
Reporterin Milaschina ist wegen der Drohungen einstweilen aus Moskaus geflohen und erwägt, auch Russland für eine Zeitlang zu verlassen, wie sie der Washington Post sagte.
Milaschina war eine Kollegin und enge Freundin der 2006 in Moskau erschossenen Anna Politkowskaja, die ebenfalls für die Nowaja Gaseta über Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien berichtet hatte. Für ihre Arbeit ist sie unter anderem mit einem der letztjährigen Free Media Awards der Zeit-Stiftung und der norwegischen Fritt-Ord-Stiftung ausgezeichnet worden.
Auch die 2009 in Tschetschenien verschleppte und im benachbarten Inguschetien ermordet aufgefundene Natalia Estemirowa hatte dort unter anderem für die Nowaja Gaseta über die Menschenrechtslage recherchiert. Insgesamt wurden in Russland seit dem Beginn von Präsident Wladimir Putins erster Amtszeit im März 2000 mindestens 33 Journalisten in direktem Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit ermordet.
Drohungen gegen Echo Moskwy für Solidaritätserklärung
Nachdem der Chefredakteur des kritischen Radiosenders Echo Moskwy, Alexej Wenediktow, sich mit den bedrohten Kollegen der Nowaja Gaseta solidarisch erklärte, ist auch er zum Ziel von Drohungen aus Tschetschenien geworden. Tschetscheniens Mufti Meschijew brachte Wenediktow in Verbindung mit Terroristen und sagte, seine Äußerungen würden nicht unbeantwortet bleiben. Ein Abgeordneter des tschetschenischen Parlaments, Schamsail Saralijew, bezeichnete die Journalisten von Nowaja Gaseta und Echo Moskwy als „offensichtliche Feinde Russlands“, denen zu vergeben gefährlich wäre; niemand könne der Rache Gottes entgehen.
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