Aserbaidschan 25.05.2016

Khadija Ismajilowa frei auf Bewährung

Reporter ohne Grenzen begrüßt die Freilassung der seit eineinhalb Jahren in Aserbaidschan inhaftierten Investigativjournalistin Khadija Ismajilowa. Das Oberste Gericht des Landes reduzierte Ismajilowas Strafe am Mittwoch von siebeneinhalb Jahren auf dreieinhalb Jahre Gefängnis und setzte sie zur Bewährung aus.

„Wir freuen uns mit Khadija Ismajilowa über ihre Freilassung, aber dieses Urteil kann nur ein erster Schritt zu ihrer Rehabilitierung sein“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. „Khadija Ismajilowa hätte keinen einzigen Tag hinter Gittern verbringen dürfen. Alles andere als eine vollständige Aufhebung ihrer Strafe bleibt eine Justiz-Farce. Nach wie vor sitzen in Aserbaidschan Journalisten und Blogger wegen ihrer Arbeit im Gefängnis.“

Ismajilowa ist durch ihre Recherchen über Vetternwirtschaft und Korruption der Familie von Aserbaidschans Präsident Ilcham Alijew international bekannt geworden. Das Internationale Konsortium Investigativer Journalisten (ICIJ) würdigte bei der Veröffentlichung der „Panama Papers“ ausdrücklich die Verdienste der Kollegin, die wegen ihrer siebeneinhalbjährige Haftstrafe für angebliche Steuerhinterziehung und Unterschlagung nicht an dem internationalen Rechercheprojekt mitarbeiten konnte. Die britische Menschenrechtsanwältin Amal Clooney klagte vergangenes Jahr im Namen Ismajilowas beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen ihre Inhaftierung.

Reporter ohne Grenzen unterstützt Ismajilowa seit Jahren und hat sich unter anderem mit einer Online-Petition für ihre Freilassung eingesetzt. 

Dubiose Vorwürfe, Prozess mit vielen Ungereimtheiten

Die Journalistin war am 5. Dezember 2014 in Baku verhaftet und im vergangenen September zu siebeneinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden. Als Vorwand für ihre Verfolgung dienten zunächst die – wenig später zurückgenommenen – Anschuldigungen eines früheren Kollegen, Ismajilowa habe ihn in einen Selbstmordversuch getrieben. Erst nachträglich wurde sie wegen Untreue, illegalen Unternehmertums und Steuerhinterziehung angeklagt. Die Vorwürfe betreffen die Zeit von Juli 2008 bis Oktober 2010, als Ismajilowa das Büro von Radio Free Europe/Radio Liberty in Baku leitete.

Das Oberste Gericht sprach die Journalistin nun von den Anklagepunkten Untreue und Machtmissbrauch frei, bestätigte aber die Strafen für illegales Unternehmertum und Steuerhinterziehung. Nach ihrer Freilassung wird sie einem Reiseverbot und weiteren Einschränkungen  unterliegen.

Das ursprüngliche Verfahren gegen Ismajilowa in Baku war von zahlreichen Unregelmäßigkeiten begleitet gewesen. Wiederholt wurde der Journalistin Einsicht in ihre Akten verwehrt, die Anklage legte zentrale Beweisstücke nicht vor. Zeugen berichteten, sie seien von der Staatsanwaltschaft unter Druck gesetzt worden. Keiner ihrer ehemaligen Kollegen bei Radio Free Europe/Radio Liberty sagte gegen Ismajilowa aus. Während ihres Schlussplädoyers verließen die zuständigen Richter den Raum. Zahlreichen Journalisten, Aktivisten und ausländischen Diplomaten, die sich an Prozesstagen vor dem Gericht versammelten, wurde der Zugang mit Hinweis auf mangelnden Platz verwehrt.

Der Versuch, Ismajilowa durch die Justiz zum Schweigen zu bringen, war Teil einer aggressiven Kampagne der aserbaidschanischen Führung gegen Kritiker im eigenen Land. Seit dem Sommer 2014 hatte das Regime prominente Aktivisten verhaftet und seine Repressionen gegen unabhängige Journalisten verschärft. Auch jetzt noch sitzen in Aserbaidschan mindestens drei Journalisten und drei Blogger wegen ihrer Arbeit im Gefängnis. 

Auf der jährlichen Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen steht das Land auf Platz 163 von 180 Staaten.



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