Russland / Ukraine 06.02.2015

Neue Welle von Gewalt und Repressionen

Presseauftritt des Chefs der "Volksrepublik Donezk", Alexander Sachartschenko. © picture alliance / dpa

Reporter ohne Grenzen verurteilt die jüngste Welle von Übergriffen und Repressionen gegen Journalisten in der Ukraine. Seit Mitte Januar, als die Kämpfe zwischen ukrainischer Armee sowie russischen Truppen und Separatisten im Osten und Süden des Landes neu aufgeflammt sind, hat die Zahl der gewalttätigen Drohungen und Einschüchterungsversuche deutlich zugenommen.

„Separatisten und russische Truppen im Osten der Ukraine müssen endlich eine unabhängige Berichterstattung zulassen, anstatt kritische Journalisten zu vertreiben und die verbliebenen Medien immer mehr auf Linie zu bringen“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. „Angriffe und Drohungen gegen Journalisten müssen in allen Teilen der Ukraine verfolgt und bestraft werden, um die Täter nicht zu immer neuen Übergriffen zu ermutigen.“

Die ukrainische ROG-Partnerorganisation Institut für Massenmedien (IMI) hat seit dem 17. Januar mindestens zwölf Übergriffe gegen Journalisten gezählt. So überlebte in Tschernihiw im Norden der Ukraine Wolodimir Maralow vom Nachrichtenportal Road Control einen Mordversuch, als eine an seinem Auto angebrachte Sprengfalle explodierte. In Czernowitz in der westlichen Ukraine erhielten Wadim Pelech und seine Familie Todesdrohungen, nachdem der Fernsehsender TVA einen Beitrag des Journalisten über pro-russische Propagandavorwürfe gegen einen Bürger der Stadt ausgestrahlt hatte. Ebenfalls in Czernowitz wurde der Journalistin Halina Jemez über das soziale Netzwerk Vkontakte Rache für Berichte angedroht, die sie auf dem Onlineportal www.0372.ua veröffentlicht hatte.

In Ismajil im Bezirk Odessa wurde das Auto des Journalisten Stanislaw Tuhai in Brand gesetzt, der für das Internetportal Inforechie arbeitet. In Odessa selbst schlugen zwei mutmaßliche Mitglieder einer pro-ukrainischen Miliz den Reporter Anton Dozenko vom Onlineportal Timer, als er über eine Gerichtsverhandlung berichten wollte.

Journalisten in den "Volksrepubliken" müssen linientreu berichten oder fliehen

In den selbsterklärten Volksrepubliken im Osten der Ukraine gibt es infolge der Übergriffe und Repressionen der vergangenen Monate praktisch keine unabhängigen Medien mehr. Fast alle landesweiten Medien mussten ihre Büros dort schließen. Unabhängige Lokal- und Regionalmedien sind gezwungen, Stellung für die Separatisten zu beziehen oder die Gebiete zu verlassen. 

In der „Volksrepublik Donezk“ müssen sich die Medien derzeit neu registrieren. Vier neue Lokalsender präsentieren dort ausschließlich die Sicht der pro-russischen Kräfte; private Sender gibt es dagegen nicht mehr. Daneben wurden ein staatliches Nachrichtenportal und eine Nachrichtenagentur gegründet. In Druschkiwka im Bezirk Donezk verschwand das Signal des Fernsehsenders 1 + 1 kurzzeitig aus dem Kabelnetz, bevor der Kanal in seinen Abendnachrichten einen kritischen Bericht über den Bürgermeister der Stadt ausstrahlte.

Umso mehr haben Internetportale an Bedeutung als alternative Informationsquellen gewonnen – und werden selbst etwa zu Zielen von Hackerangriffen. Aktuelle Beispiele sind eine sogenannte DDoS-Attacke auf das Webportal Inforechie am 29. Januar und ein ähnlicher Angriff auf die Webseite des Fernsehsenders Ukraine Today rund zwei Wochen zuvor.

Verschärfung der Lage auf der Krim

Auch auf der von Russland annektierten Krim hat sich die Lage für unabhängige Journalisten und Medien deutlich verschärft. Der gravierendste Fall der jüngeren Zeit war die Razzia der russischen Polizeispezialeinheit Omon bei ATR in Simferopol, einem Fernsehsender der krimtatarischen Minderheit, der zu den wenigen verbliebenen unabhängigen Sendern dort gehört. Bei der Aktion am 26. Januar marschierten Uniformierte mit automatischen Waffen in der Redaktion ein, unterbrachen Sendebetrieb und Internetverbindung für einen Großteil des Tages und hielten die Mitarbeiter in dem Gebäude fest. Der Server mit dem Videoarchiv des Senders wurde beschlagnahmt.

Die Menschenrechtskommission der Krim berichtet von wiederholten Angriffen auf Journalisten, widerrechtlichen Festnahmen, Gewaltandrohungen und der Zerstörung von Ausrüstung. Die Täter kämen meist aus den Reihen der pro-russischen sogenannten Selbstverteidigungskräfte.

Regierung in Kiew setzt auf Gegenpropaganda

Die ukrainische Regierung hat ihrerseits mit Einschränkungen der Medienfreiheit auf den Krieg im Osten des Landes reagiert. So beschloss sie im Dezember die Gründung eines Informationsministeriums, das vor allem russische Propaganda zurückdrängen sowie im Osten und auf der Krim Gegenpropaganda machen soll. Als Minister berufen wurde Juri Stez, ein Vertrauter von Staatspräsident Petro Poroschenko. Dem Fernsehsender Inter drohte das neue Ministerium jüngst mit Lizenzentzug, nachdem er zu Neujahr eine Gala mit Persönlichkeiten ausstrahlte, die der Regierung in Kiew wegen pro-russischer Stellungnahmen als unerwünscht gelten.

Im Laufe des vergangenen Jahres hat sich die Ukraine zu einem der weltweit gefährlichsten Länder für Journalisten entwickelt. 2014 wurden dort 33 Journalisten entführt und sechs wegen ihrer Arbeit getötet, die weitaus meisten davon im Osten des Landes. Auf der Rangliste der Pressefreiheit 2014 steht die Ukraine auf Platz 127 von 180 Ländern.



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