Polen
02.12.2021
Neues Gesetz schränkt Medien weiter ein
Unabhängiger Journalismus in der polnisch-belarussischen Grenzregion soll offenbar auch nach dem Ende des Ausnahmezustands unmöglich gemacht werden. Das befürchtet Reporter ohne Grenzen (RSF). Der von Polen verhängte Notstand war am Dienstag (30.11.) um Mitternacht ausgelaufen. Ein am Abend zuvor verabschiedetes Gesetz schränkt jedoch den Zugang zum Grenzgebiet weiter ein. Journalistinnen und Reporter benötigen nun die Erlaubnis des Grenzschutzes, um von dort berichten zu können. Auch mehrere Übergriffe auf Medienschaffende durch Sicherheitskräfte in den vergangenen Wochen zeigen, dass der Ausnahmezustand für die Pressefreiheit de facto aufrechterhalten wird.
„Trotz der Sicherheitsrisiken im Grenzgebiet müssen die Medien über Polizei- und Militäroperationen sowie Migration berichten können“, sagte RSF-Vorstandssprecher Michael Rediske. „Die gewaltsamen Übergriffe gegen Journalistinnen und Journalisten erinnern eher an Diktaturen wie die in Belarus.“
Zuletzt hatten polnische Militärangehörige am 16. November einen tschechischen Fotografen und zwei polnische Kollegen gewaltsam festgehalten, ihnen Handschellen angelegt und ihre Kameras, Mobiltelefone und ihr Auto durchsucht. Die Journalisten hatten einen Militärstützpunkt in der Nähe der Grenze fotografieren wollen. Die drei hatten sich ihrer Aussage nach vor ihrer Festsetzung durch die Soldaten als Journalisten zu erkennen gegeben und zu keinem Zeitpunkt die Sperrzone betreten. New York Times-Fotograf Maciek Nabrdalik, Maciej Moskwa von der polnischen Agentur Testigo und Martin Divisek, ein tschechischer Fotograf für die European Pressphoto Agency, wurden bis zum Eintreffen der Polizei eineinhalb Stunden festgehalten.
Willkürlich und unverhältnismäßig
In den vergangenen Wochen haben solche Übergriffe und Verhaftungen in der Grenzregion zu Belarus zugenommen. RSF hat die Einschränkungen der Pressefreiheit mehrfach als willkürlich und unverhältnismäßig kritisiert. Mit dem neuen Gesetz schwindet die Hoffnung, dass es nach dem Ende des Ausnahmezustands für unabhängige Medienschaffende wieder leichter werden würde, über illegale Pushbacks durch die Behörden und die Situation der Flüchtenden zu berichten.
Polen hatte den Notstand am 2. September ausgerufen und es allen Journalistinnen und Journalisten untersagt, einen drei Kilometer langen Streifen entlang der belarussischen Grenze zu betreten. Bei Missachtung drohten bis zu 30 Tage Gefängnis oder eine Geldstrafe von 5.000 Zloty, etwas mehr als 1.000 Euro. Der Diktator Alexander Lukaschenko hatte ausländische Medienschaffende eingeladen, auf die belarussische Seite der Grenze zu kommen, um über die Krise zu berichten – eine Krise, die er nach Ansicht der europäischen Regierungen selbst provoziert hat.
Neben den drei durch das polnische Militär verhafteten Fotografen wurden auch Claudia Ciobanu und Jaap Arriens, zwei Journalisten des Balkan Investigative Reporting Network, von einer Einheit aus Grenzpolizei und Soldaten schikaniert. Obwohl sie sich außerhalb der Sperrzone befanden, wurden sie unter Drohungen dazu gezwungen, die IMEI-Nummern aller ihrer Mobilgeräte anzugeben. Damit konnten die Behörden sie überwachen.
Mindestens drei weitere Journalistenteams wurden wegen angeblicher Verstöße im Grenzgebiet behelligt. Bartlomiej Bublewicz, ein Reporter der polnischen Website Onet.pl, und sein Kameramann wurden Anfang September vor einem Gericht angeklagt. Ein Team um die deutsche Arte-Journalistin Ulrike Däßler verbrachte Ende September eine Nacht in einer Zelle. Anfang November wurden David Khalifa und Jordi Demory, zwei Reporter von RT France, nach Angaben ihres Medienhauses neun Stunden lang festgehalten.
Polen belegt auf der Rangliste der Pressefreiheit derzeit Platz 64 von 180 Staaten.
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