Deutschland
31.07.2024
Gemeinnützigkeit für Non-Profit-Journalismus
Die Bundesregierung plant neue Regelungen zum Gemeinnützigkeitsrecht - ein Versprechen aus dem Koalitionsvertrag. Die vom Kabinett beschlossenen Änderungen reichen aber nicht. Denn die Anerkennung der Gemeinnützigkeit für Non-Profit-Journalismus soll nach wie vor im Ermessen der Finanzbehörden verbleiben. “Rechtssicherheit für gemeinnützigen Journalismus”, wie im Koalitionsvertrag versprochen, sieht anders aus.
Laut Kabinettsbeschluss sollen die Behörden Non-Profit-Journalismus in Zukunft als “Förderung der Bildung” (§ 52 Absatz 2 Nummer 7 Abgabenordnung) einordnen können. Es verbleibt also im Ermessen der Finanzämter, ob ein Medium als gemeinnützig eingestuft wird oder nicht. Damit verabschiedet sich die Bundesregierung von einem weiteren zentralen medienpolitischen Versprechen, nachdem schon die angekündigte Journalismusförderung, die eine “flächendeckende Versorgung” mit Nachrichtenmedien sicherstellen sollte, zu den Akten gelegt wurde.
Nachbesserungen noch möglich
Reporter ohne Grenzen (RSF) hat sich deshalb mit einem Schreiben an die medien- und finanzpolitisch zuständigen Bundestagsabgeordneten gewandt und sie aufgefordert, im Rahmen der parlamentarischen Beratung des geplanten Jahressteuergesetzes nachzubessern.
Nichtkommerzielle Medien wie Correctiv, Investigate Europe oder Katapult sind neben öffentlich-rechtlichen und kommerziellen Printmedien ein unverzichtbarer Bestandteil unserer pluralistischen Medienlandschaft. Fast alle haben jedoch Finanzierungsprobleme. Wäre diese Arbeit eindeutig in der Abgabenordnung als gemeinnützig anerkannt, wäre es bedeutend leichter, dafür beispielsweise eine Finanzierung über Stiftungen einzuwerben. Gerade für Exilmedien, die von Deutschland aus ein Gegengewicht zu Propaganda und Desinformation in ihren Herkunftsländern leisten, wäre das ein großer Gewinn.
DER OFFENE BRIEF
Non-Profit-Journalismus muss als eigenständiger gemeinnütziger Zweck in § 52 Abgabenordnung verankert werden
Berlin, den 30. Juli 2024
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Medien- und Finanzpolitiker*innen,
Reporter ohne Grenzen (RSF) möchte Sie dafür gewinnen, sich mit Nachdruck dafür einzusetzen, dass bei der anstehenden parlamentarischen Beratung des Jahressteuergesetzes die Förderung von Non-Profit-Journalismus in die Liste der als gemeinnützig anerkannten Zwecke in der Abgabenordnung aufgenommen wird. Diese rechtstechnisch unkomplizierte Änderung ist aus unserer Sicht von wesentlicher Bedeutung, um Journalismus zu fördern und zu finanzieren, der nicht gewinnorientiert ist - und damit eine wesentliche Voraussetzung für die Nachhaltigkeit unabhängiger Journalismusprojekte in der deutschen Medienlandschaft.
Die stattdessen geplante untergesetzliche Regelung über einen Anwendungserlass schafft nicht die „Rechtssicherheit für gemeinnützigen Journalismus“, die die Ampel in ihrem Koalitionsvertrag ausdrücklich versprochen hat. Die Formulierung, nach der Non-Profit-Medien „in der Regel die Förderung der Bildung (§ 52 Absatz 2 Nummer 7 AO)“ verfolgen, „indem sie insbesondere durch Wissensvermittlung, Aufklärung sowie Nachrichtenaufbereitung oder -beschaffung der Allgemeinheit Informationen zur Verfügung stellen“, belässt die Anerkennung journalistischer Arbeit als gemeinnützig nach wie vor im Ermessen der Finanzämter. Rechtssicherheit würde im Gegensatz dazu einen solchen Ermessensspielraum ausschließen. Deshalb kann ein solcher Anwendungserlass eine gesetzliche Regelung durch Änderung der Abgabenordnung nicht ersetzen.
Vor allem aber verfehlt die geplante Regelung die Signalwirkung, die von einer Anerkennung des Non-Profit-Journalismus als gemeinnützig ausgehen würde. Die Zahl der Stiftungen, die in Deutschland gewinnzweckfreie journalistische Projekte unterstützen, ist überschaubar. Das liegt nicht zuletzt daran, dass philanthropische Geldgeber bei der Projektauswahl ihrerseits auf Rechtssicherheit angewiesen sind und sich daher an der Liste gemeinnütziger Zwecke in der Abgabenordnung orientieren. Dort wird aber nicht ersichtlich, dass Non-Profit-Journalismus unter Bildung subsumiert werden könnte.
Sie wissen, dass es um die finanzielle Lage des Journalismus aus vielen Gründen nicht gut bestellt ist, dass in ländlichen Regionen auch in Deutschland mittlerweile nicht nur Medienmonopole, sondern Nachrichtenwüsten drohen. Nachdem Ihre Regierung sich bereits von dem (ebenfalls im Koalitionsvertrag festgehaltenen) Versprechen einer Journalismusförderung verabschiedet hat, wäre es umso fataler, journalistischen Projekten auch weiterhin die Chance vorzuenthalten, sich für ihre Arbeit eine Stiftungsfinanzierung zu sichern. Neben den öffentlich-rechtlichen und den kommerziellen Privatmedien sind journalistische Medien ohne Gewinnerzielungsabsicht, Community-Medien oder journalistische Start-ups wie Krautreporter, Correctiv, Katapult oder Investigate Europe wichtiger Teil einer pluralistischen Medienlandschaft. Gerade im Lokalen sind Non-Profit-Medien häufig die einzigen, die übrig bleiben, wenn die Verlage die Lokalzeitungen einstellen oder nur die Titel erhalten, aber ohne eigene Redaktion vor Ort. Auch exiljournalistische Projekte wie jene, die von Deutschland aus ein Publikum in Russland ansprechen, wo es keine freien Medien mehr gibt, sind dringend auf neue Finanzierungswege angewiesen, falls sie nicht dauerhaft, wie zu großen Teilen bisher, mit Fördergeldern der Bundesregierung finanziert werden sollen.
Reporter ohne Grenzen appelliert deshalb an Sie als zuständige Medien- und Finanzpolitiker*innen:
Setzen Sie sich dafür ein, dass bei der parlamentarischen Beratung des Jahressteuergesetzes Non-Profit-Journalismus als eigenständiger gemeinnütziger Zweck in § 52 Abgabenordnung verankert wird.
Für Gespräche zu diesem Thema stehen wir gern zur Verfügung.
Dieser Brief wurde von Anja Osterhaus, Geschäftsführerin von Reporter ohne Grenzen, unterzeichnet.
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