Slowakei 19.02.2019

Politische Einflussnahme auf Ermittlungen

© Picture alliance / AP Photo

Ein Jahr nach dem Mord an dem slowakischen Investigativjournalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kušnírová fordert Reporter ohne Grenzen (ROG) die slowakischen Behörden auf, unabhängige Ermittlungen sicherzustellen. Zwar hat die Ermittlung eindeutige Fortschritte gemacht, doch gibt es immer wieder Anzeichen politischer Einflussnahme.

„Ein Jahr nach dem Mord an Ján Kuciak sollten die Politikerinnen und Politiker in der Slowakei alles dafür tun, Polizei und Justiz in ihrer unabhängigen Arbeit zu unterstützen und so ein sicheres Umfeld für Journalistinnen und Journalisten zu schaffen“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. „Leider ist immer noch oft das Gegenteil der Fall. Einige in der Politik scheinen vor allem darauf aus zu sein, sich selbst und ihren Ruf zu schützen.“

Die regierende Partei Smer hat jüngst einen umstrittenen Gesetzesentwurf eingebracht, nach dem Medien mit hohen Strafzahlungen belegt werden können, wenn sie Politikerinnen oder Politikern, die sich von Berichterstattung in Ruf oder Privatsphäre verletzt sehen, keine Möglichkeit für Erwiderungen einräumen. Peter Bárdy, Chefredakteur von Kuciaks Nachrichtenseite Aktuality.sk, betrachtet den Vorstoß als Versuch, „unabhängige Medien zu knebeln und zu bestrafen“. Der Gesetzesentwurf kommt vor allem deshalb zu einem sehr bedenklichen Zeitpunkt, weil Enthüllungen über die Verwicklungen in der Politik bedeutend dazu beigetragen haben, die Ermittlungen im Fall Kuciak voranzubringen.

Demonstrantinnen und Journalisten im Visier der Behörden

Auch sind die Ermittlungsbehörden wiederholt gegen die Organisatorinnen und Organisatoren der Massenproteste für eine unabhängige Aufklärung des Mordfalls vorgegangen. Im November hat ROG zusammen mit dem European Centre for Press and Media Freedom (ECPMF) bei den slowakischen Behörden dagegen protestiert, dass Unterstützerinnen und Unterstützer der Bewegung „Für eine anständige Slowakei“, darunter auch Medienschaffende, eingeschüchtert und juristisch verfolgt wurden.

Der 27 Jahre alte Investigativjournalist Ján Kuciak und seine gleichaltrige Verlobte wurden am 21. Februar 2018 in ihrem Haus in der Nähe von Bratislava erschossen. Er hatte zuvor über Korruption, Steuerhinterziehung und Verbindungen hochrangiger slowakischer Politiker zur italienischen Mafia recherchiert.

Im September 2018 verhaftete die Polizei vier Tatverdächtige, unter ihnen Alena Zs. Sie wird auch in anderen Fällen der Beihilfe zum Mord verdächtigt. Zs. arbeitete für den slowakischen Geschäftsmann Marián Kočner, über dessen Geschäftsverbindungen Kuciak wiederholt geschrieben hatte, zum letzten Mal kurz vor seinem Tod. Kočner ließ Kuciak überwachen, Ende 2017 bedrohte er den Journalisten am Telefon. Kuciak meldete den Drohanruf bei den Behörden, es geschah jedoch nichts. Seit Sommer 2018 sitzt Kočner ebenfalls in Haft, da gegen ihn mehrere Verfahren wegen anderer Vergehen laufen. Gegen ihn wird inzwischen auch im Fall Kuciak ermittelt. 

Diesen Fortschritten stehen scharfe Vorwürfe der Anwälte gegenüber, die die Familien von Kuciak und seiner Verlobten vertreten. Sie kritisieren, dass sich jüngst mehrfach wichtige Vertreterinnen und Vertreter der Politik in die Mordermittlungen eingemischt hätten. Der Innenminister, der Generalstaatsanwalt und der Polizeipräsident beschlossen am 5. Februar, einen Teil der Ermittlungen abzuspalten und an die Polizeiaufsichtsbehörde zu überstellen. Diese ermittelt normalerweise nach Fehlverhalten innerhalb der Polizeikräfte und ist direkt dem Innenministerium unterstellt. Der abgespaltene Teil der Ermittlungen betrifft Daniel Lipšic, den Anwalt der Familie Kuciak, gegen den die Tatverdächtigen ebenfalls ein Mordkomplott geschmiedet haben sollen. Lipšic war Justiz- und Innenminister der heute oppositionellen Christlich-Demokratischen Bewegung (KDH) und gilt als Erzfeind des Geschäftsmanns Kočner.

Verdächtiger mit Netzwerk einflussreicher Unterstützer

Marián Kočner gilt inzwischen als dringend tatverdächtig, der Auftraggeber oder einer der Auftraggeber hinter dem Mord an Kuciak zu sein. Selbst aus dem Gefängnis heraus soll er noch ein großes Netzwerk an einflussreichen Unterstützern haben. Alena Zs., eine der vier festgenommenen Tatverdächtigen, soll zu hochrangigen slowakischen Politikerinnen und Politikern Kontakt gehabt haben. Die Zeitung Dennik N berichtete im Januar, sie sei vor dem Mord an Kuciak in Kontakt mit dem stellvertretenden Generalstaatsanwalt René Vanek und dem stellvertretenden Parlamentssprecher Martin Glváč gewesen, mit Vanek habe sie noch drei Tage vor ihrer Festnahme Kontakt gehabt. Vanek trat nach diesen Enthüllungen zurück, Glváč (der Mitglied der Regierungspartei ist) jedoch nicht. Er gab zu, er habe Textnachrichten und Selfies mit Alena Zs. ausgetauscht, bestreitet aber, unter Druck gesetzt worden zu sein.

Der Anwalt der Familie von Kuciaks ebenfalls ermordeten Verlobten, Roman Kvasnica, befürchtete im Gespräch mit ROG, dass Personen, die wie Glváč mit dem Fall in Verbindung stehen, mit kompromittierendem Material erpresst werden könnten, um sie zum Schweigen zu bringen und so die Ermittlungen zu behindern. Besonders brisant ist laut Kvasnica der Verdacht, dass „Personen, die im Dienste der Slowakischen Republik standen oder noch stehen, die Voraussetzungen für den Mord an zwei unschuldigen jungen Menschen geschaffen haben“. Kuciak und seine Verlobte sollen demnach von einem ehemaligen Polizisten erschossen worden sein, nachdem ehemalige Geheimdienstler ihn mithilfe von Informationen der Polizei ausspioniert haben sollen. Kvasnica zeigt sich allerdings zuversichtlich, dass die Ermittlungen erfolgreich zu Ende geführt werden könnten, dank der Integrität des Chefermittlers, der auch aufgrund der nationalen wie internationalen Aufmerksamkeit sicher vor Einflussnahme sei.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht die Slowakei auf Platz 27 von 180 Staaten, zehn Plätze weiter hinten als im Vorjahr.



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