Präsidentschaftswahl im Iran
04.07.2024
Stichwahl zwischen Repression und Verfolgung
Willkürliche Verhaftungen, Zensur und Überwachung: Unabhängige Berichterstattung ist im Iran nur unter großen Gefahren möglich. Bei der Stichwahl am 5. Juli entscheidet sich, wer der neue iranische Präsident wird – in einem Land, in dem sich die Unterdrückung von Journalistinnen und Reportern durch die „Frau, Leben, Freiheit“-Proteste noch einmal verschärft hat. Derzeit sitzen 25 Medienschaffende im Gefängnis.
„Solange die Repression in den Gesetzbüchern, den Praktiken und der Politik des iranischen Regimes verankert ist, werden kritische Medienschaffende weiter unnachgiebig verfolgt und hart bestraft“, sagte RSF-Geschäftsführerin Anja Osterhaus. „Selbst im Exil sind iranische Journalisten und Reporterinnen nicht vor Verfolgung sicher. Um sie zu schützen, müssen die jeweiligen Regierungen, Strafverfolgungsbehörden, Social-Media-Plattformen und Redaktionen noch stärker zusammenarbeiten. Den zukünftigen iranischen Präsidenten fordern wir auf, alle inhaftierten Journalistinnen und Journalisten freizulassen.“
Zur Stichwahl treten Massud Peseschkian und Said Dschalili an. Dschalili gilt als kompromisslos, hart und unnachgiebig, als Vertreter der ultrakonservativen Linie des verstorbenen ehemaligen Präsidenten Raisi. Peseschkian bedient gemäßigtere Positionen, aber auch er ist ein Kandidat von Chameneis Gnaden, dem „Obersten Führer“ des Iran. Zudem wird ihm vorgeworfen, 2005 persönlich an der Vertuschung des Mordes an der kanadisch-iranischen Journalistin Zahra Kazemi beteiligt gewesen zu sein.
Drakonische Haftstrafen
Zuletzt wurden am 11. Juni 2024 die unabhängigen Investigativjournalisten Saba Azarpeik und Yashar Soltani zu zwei bzw. 13 Jahren Haft verurteilt. Wie bei vielen anderen der 25 Inhaftierten warfen die Gerichte ihnen vor, „Falschinformationen“ und „staatsfeindliche Propaganda“ verbreitet zu haben. Im Falle der Journalistinnen Nilufar Hamedi und Elahe Mohammadi kam noch „Verschwörung gegen die nationale Sicherheit“ hinzu – am Ende standen sieben bzw. sechs Jahre Gefängnis. Die beiden hatten als erste über den Tod der jungen Kurdin Jina Mahsa Amini im Oktober 2022 in Polizeigewahrsam berichtet und waren kurz darauf festgenommen worden. Kurzzeitig stand sogar die Todesstrafe im Raum. Hamedi und Mohammadi kamen im Januar auf Bewährung frei, wurden aber direkt wieder angeklagt und können jederzeit wieder inhaftiert werden.
Jina Mahsa Aminis gewaltsamer Tod löste die „Frau, Leben, Freiheit“-Proteste aus. Wer darüber journalistisch berichtete, riskierte viel: Seit Oktober 2022 wurden mindestens 83 Medienschaffende inhaftiert, darunter 29 Frauen. Artikel 24 der iranischen Verfassung garantiert zwar auf dem Papier die Pressefreiheit, legt aber fest, dass die Medien nicht gegen „islamische Grundsätze“ oder das „öffentliche Interesse“ verstoßen dürfen – vage Begriffe, die häufig dazu benutzt werden, abweichende Meinungen zu unterdrücken.
Unmenschliche Zustände und Verfolgung bis ins Exil
Die iranischen Haftanstalten, etwa das Evin-Gefängnis am Rande Teherans, sind für ihre unmenschlichen Zustände berüchtigt. Davon weiß die Außenwelt unter anderem durch die Arbeit der inhaftierten Nobelpreisträgerin, Journalistin und Schriftstellerin Narges Mohammadi, ausgezeichnet mit dem RSF Press Freedom Award 2022 in der Kategorie Mut. Mohammadi verbrachte einen Großteil der vergangenen 14 Jahre in Haft, wurde im Gefängnis misshandelt und erhielt 154 Peitschenhiebe. Selbst im Exil sind iranische Journalistinnen und Journalisten nicht sicher. Insbesondere in London, wo mit BBC Persia und Iran International zwei reichweitenstarke Sender ihren Sitz haben – aber auch in Deutschland –, berichten Medienschaffende von Todesdrohungen und Online-Beschimpfungen.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht der Iran seit vielen Jahren auf einem der hintersten Plätze, derzeit auf Rang 176 von 180.
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