Deutschland 11.09.2024

Pressetelefon: RSF erhebt Verfassungsbeschwerde

© picture alliance / Zoonar | Berit Kessler

Zwei Journalisten haben zusammen mit Reporter ohne Grenzen (RSF) und der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) Verfassungsbeschwerden gegen das Abhören des Pressetelefons der Letzten Generation erhoben. Die Protestgruppe, die mit Störaktionen auf den Handlungsdruck in der Klimakrise aufmerksam machen will, wurde überwacht, weil ihr von der Generalstaatsanwaltschaft München die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen wird. Von dieser Maßnahme waren auch 171 Journalistinnen und Journalisten betroffen - aus Sicht von RSF ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Pressefreiheit. 

Beschwerdeführer sind die beiden von der Abhörmaßnahme betroffenen Medienschaffenden Jörg Poppendieck, ARD, und Jan Heidtmann, SZ. In dem seit Juli 2023 laufenden Verfahren hatte zuletzt das Landgericht München I die Beschwerden der beiden Journalisten gegen einen Beschluss des Amtsgerichts verworfen. Das Landgericht sah in der mehrmonatigen Abhörmaßnahme einen tiefgreifenden Eingriff in die Pressefreiheit, erklärte sie aber für verhältnismäßig – ein Beschluss, der aus der Sicht von RSF klar die Pressefreiheit missachtet.

„Journalisten müssen mit Aktivistinnen sprechen können, ohne vom Staat systematisch belauscht zu werden. In der Abwägung – Strafverfolgungsinteresse gegen beeinträchtigte Grundrechte – kommen wir zu dem Ergebnis: Die Abhöraktion der Generalstaatsanwaltschaft München ist nicht mit der Pressefreiheit in Deutschland vereinbar”, sagte Nicola Bier, Referentin für Recht bei Reporter ohne Grenzen, welche die Verfassungsbeschwerden für RSF betreut. 

In den Verfassungsbeschwerden kritisieren RSF und GFF, dass das Amtsgericht München in der Überwachungsanordnung die Pressefreiheit mit keinem Wort erwähnt hatte, obwohl absehbar war, dass auf dem abgehörten Anschluss eine Vielzahl von Medienschaffenden anrufen würde. Benjamin Lück, Jurist und Verfahrenskoordinator bei der GFF, betont: „Auch über kontroverse Protestformen an der Grenze der Legalität müssen Journalistinnen und Journalisten frei recherchieren und berichten können.“

Einschüchterungseffekte als Hintergrund der Verfassungsbeschwerden

Die Überwachung von Kommunikationskanälen, die speziell für den Austausch mit Medienschaffenden eingerichtet wurden, hat unweigerlich die Einschüchterung von investigativen Berichterstattenden zur Folge. Wer Angst haben muss, bei der journalistischen Arbeit zu kontroversen Themen von staatlicher Abhörung betroffen zu sein, könnte davor zurückschrecken, überhaupt darüber zu berichten.

Jan Heidtmann, betroffener Journalist und Beschwerdeführer, sagt: „Die Abhöraktion der Generalstaatsanwaltschaft München gegenüber der Letzten Generation war völlig überzogen und verletzt die Pressefreiheit. Da die Gerichte in München dieses Vorgehen trotzdem legitimiert haben, bleibt uns nur der Weg vors Bundesverfassungsgericht.”

RSF fordert: Ermittlungsrichterinnen und -richter müssen die Grundrechte Betroffener direkt berücksichtigen, wenn sie empfindliche Maßnahmen anordnen. Dazu gehört auch, Entscheidungen sofort mit Hinblick auf die Pressefreiheit erkennbar abzuwägen – und diese Überlegungen nicht erst nachzuschieben, wenn die Maßnahme längst erfolgt ist. Es reicht aus Sicht von RSF nicht aus, wenn Gerichte Maßnahmen der Ermittlungsbehörden erst grundrechtlich prüfen, wenn sie von Betroffenen angegriffen werden.

Gleichzeitig mit RSF, GFF und den beiden Beschwerdeführern erhebt auch ein Mitglied des Bayerischen Journalisten-Verbands gemeinsam mit dem BJV, vertreten von der Kanzlei Jun, Verfassungsbeschwerde gegen die Abhörmaßnahmen.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Deutschland auf Platz 10 von 180 Staaten.



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