Deutschland 04.03.2024

Proteste blockieren Zeitungsauslieferungen

Eine Zugmaschine steht bei Dunkelheit hell erleuchtet auf einer Straße, auf dem Kühlergrill ist ein Plakat mit einer Ampel dargestellt. im Vordergrund sind mehrere Menschen zu sehen.
Demonstrierende blockieren über Stunden ein Presseverteilzentrum in Hamburg. © picture alliance/dpa/TNN | Steven Hutchings

Sie parken Traktoren vor Druckereien oder blockieren Presseverteilzentren: Mehrmals haben Demonstrierende im Februar deutschlandweit die Auslieferung von Zeitungen behindert. Betroffen waren unterschiedliche Medien und Verlage. Reporter ohne Grenzen (RSF) ruft die Gesellschaft dazu auf, diese Angriffe auf die Pressefreiheit nicht unkommentiert zu lassen.

"Demonstrationsfreiheit ist ein Grundrecht“, sagt RSF-Vorstandssprecherin Katja Gloger. "Doch die Blockade der Auslieferung von Presseerzeugnissen behindert ein anderes Grundrecht: Das der Informationsfreiheit. Wir appellieren an die Demonstrierenden, die Mittel ihrer Meinungsäußerung zu überdenken.“

Im Februar dokumentierte RSF mindestens fünf Fälle, bei denen in nächtlichen Aktionen die Zufahrten von Presseverteilzentren und Druckereien zugestellt wurden, um die Auslieferung von Nachrichten zu verhindern. Zuletzt haben Landwirte am 29. Februar ein Druckzentrum bei Villingen-Schwenningen in Baden-Württemberg mit Traktoren und abgeladenem Mist blockiert.

Die bisherigen Vorfälle im Überblick

In der Nacht zum 03. Februar blockierten Demonstrierende den Hamburger Zeitungsvertrieb: Etwa 70 Personen hatten sich am Verteilzentrum der Firma 4Press in Rahlstedt versammelt, um mit einer Sattelschlepper-Zugmaschine, mehreren Transportern und Pkws die Auslieferung von Zeitungen zu verhindern. Zu den betroffenen Medien zählte unter anderem die MoPo. Diese zitierte in ihrer Berichterstattung Polizeiangaben, wonach der Versammlunsgssprecher eine „falsche Berichterstattung der Presse über die Krisenlagen in Deutschland“ als Grund für den Protest genannt hatte.

In der Nacht zum 05. Februar riegelten Landwirtinnen und -wirte das Firmengelände der Allgäuer Zeitung in Kempten ab. Sie hatten während einer nicht angemeldeten Aktion mit ihren Traktoren die Zu- und Ausfahrten des Medienzentrums blockiert und damit das Ausliefern der Zeitung beeinträchtigt. Bis zu 400 Teilnehmende seien mit etwa 175 Traktoren vor Ort gewesen. Laut Berichten der FAZ seien Strafverfahren wegen des Anfangsverdachts der Nötigung eingeleitet worden.

In der Nacht zum 08. Februar blockierten Bäuerinnen und Bauern die Druckerei der Nordsee-Zeitung in Bremerhaven mit Misthaufen und Traktoren: Die etwa 50 Protestierenden forderten ein Gespräch mit dem Verleger ein, behinderten dabei aber auch die Auslieferung der Zeitung. Nach nächtlichen Verhandlungen mit der Polizei wurde die Versammlung beendet, nachdem Mitarbeitende der Publikation ein Gespräch mit der Führungsebene der Zeitung in Aussicht gestellt hatten. Über den Anlass der Versammlungsaktion notierte der Tagesspiegel „die Unzufriedenheit der Teilnehmenden mit der Berichterstattung über die zurückliegenden Protestaktionen“.

In der Nacht zum 10. Februar blockierten Demonstrierende eine Druckerei in Ahrensburg – und verhinderten oder verspäteten die Zustellung Tausender Ausgaben darunter die Süddeutsche Zeitung, das Hamburger Abendblatt oder die Welt. Auslöser der Aktion war offenbar die Agrarpolitik der Ampelregierung und die Berichterstattung zu den Protesten. Der NDR zitiert Polizeiangaben, laut denen sich die Protestierenden in der Presse falsch dargestellt fühlen. Rund sechs Stunden lang blockierten sie mit über 40 Traktoren, Sattelzügen und Autos die Einfahrt zum Gelände.


In der Nacht zum 29. Februar blockierten Landwirtinnen und -wirte ein Druckzentrum bei Villingen-Schwenningen, betroffen waren mehrere Lokalzeitungen, unter anderem der Schwarzwälder Bote: Chefredakteur Christoph Reisinger wehrte sich mit einem Kommentar gegen die Aktion, an der sich etwa 100 Menschen beteiligt hatten. „Das soll Protest sein? Irgendwie nachvollziehbar? Nein, die Blockade des Druckzentrums in Villingen-Schwenningen, mit der die Auslieferung unserer Zeitung verhindert werden sollte, ist nur eines: ein Frontalangriff auf die Pressefreiheit. Zugleich gegen die Versorgung der Gesellschaft mit glaubwürdigen lokalen Informationen, deren Rückgrat die Regionalzeitungen sind“, schrieb er.

Weitere Informationen zu den von Reporter ohne Grenzen dokumentierten Angriffen auf die Pressefreiheit in Deutschland finden sich in unserer jährlich erscheinenden Nahaufnahme. Auf der Rangliste der Pressefreiheit ist Deutschland in den vergangenen Jahren abgesunken. Das hat auch mit der steigenden Zahl an Übergriffen auf Medienschaffende zu tun: 2019 hatte RSF 13 Fälle gezählt, 2022 waren es 103. Die Zahlen für 2023 wird RSF in den kommenden Wochen veröffentlichen. Auf der aktuellen Rangliste steht Deutschland auf Platz 21 von 180 Ländern.



nach oben