EU-Überwachungsexporte 14.10.2020

Razzia bei deutscher Spähsoftware-Firma

Symbolbild FinFisher
FinFisher © picture alliance / chromorange

In den von Reporter ohne Grenzen mit initiierten strafrechtlichen Ermittlungen gegen die deutsche Spyware-Firma FinFisher zeichnet sich ein erster Erfolg ab. Die Staatsanwaltschaft ließ laut Recherchen von BR und NDR kürzlich 15 Wohn- und Geschäftsräume des Münchner Überwachungstechnologie-Konzerns im In- und Ausland durchsuchen. Reporter ohne Grenzen hatte 2019 gemeinsam mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), dem European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) und Netzpolitik.org Strafanzeige gegen das Firmenkonglomerat erstattet. FinFisher wird vorgeworfen, die Überwachungssoftware FinSpy illegal an die türkische Regierung verkauft und exportiert zu haben.

„Seit Jahren entziehen sich FinFisher und andere europäische Produzenten ihrer Verantwortung, indem sie sich hinter komplizierten transnationalen Firmenstrukturen verstecken“, sagte Christian Mihr, Geschäftsführer bei Reporter ohne Grenzen. „Eine Verurteilung der Geschäftsführer in München wäre ein längst überfälliges Signal an die gesamte Branche, dass sie die europäischen Exportvorgaben und unternehmenseigene Sorgfaltspflichten nicht länger ignorieren kann.”

FinSpy tauchte im Sommer 2017 auf einer türkischen Webseite auf, die als Mobilisierungswebseite der türkischen Oppositionsbewegung getarnt war und ermöglichte so wahrscheinlich die Überwachung einer großen Zahl politischer Aktivistinnen und Aktivisten und Medienschaffender. Spyware europäischer Unternehmen wie FinFisher (Deutschland), Hacking Team / Memento Labs (Italien) oder Amesys (Frankreich) wurde in den letzten Jahren bereits in autoritären Staaten wie Myanmar, der Türkei, Bahrain und den Vereinigten Arabischen Emiraten eingesetzt. Zuletzt fand Amnesty International weitere Hinweise für die Verwendung von FinSpy durch eine Hackergruppe in Ägypten. Auf die digitale Überwachung in diesen Staaten folgen oft Verhaftungen, Folter und andere schwere Menschenrechtsverletzungen.

Reporter ohne Grenzen und weitere zivilgesellschaftliche Organisationen reichten im Juli 2019 Strafanzeige gegen die Geschäftsführer der FinFisher GmbH, der Finfisher Labs GmbH und der Elaman GmbH, die alle zum FinFisher-Konglomerat gehören, ein. Die Staatsanwaltschaft leitete daraufhin Ermittlungen aufgrund eines möglichen Verstoßes gegen das deutsche Außenwirtschaftsgesetz ein, das seit 2015 Genehmigungspflichten für Exporte von Überwachungssoftware ins außereuropäische Ausland vorsieht. Verstöße gegen das Gesetz werden mit bis zu fünf Jahren Gefängnis oder einer Geldstrafe geahndet.

„Die Durchsuchungen sind ein wichtiges Signal. Dem illegalen Export von Spionagesoftware muss dringend ein Riegel vorgeschoben werden. Deutsche Unternehmen dürfen sich nicht zu Handlangern repressiver Regime machen“, sagte Sarah Lincoln, Juristin bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte und ebenfalls Mitinitiatorin der Strafanzeige.

Mangelnde Transparenz in Bezug auf erteilte und verweigerte Lizenzen und die beteiligten Hersteller und Endnutzer erschwert aktuell eine wirksame unabhängige Kontrolle dieses globalen Handels seitens zivilgesellschaftlicher Akteure. Reporter ohne Grenzen hat die EU-Institutionen als Teil eines NGO-Bündnisses wiederholt aufgefordert, den gemeinsamen Rechtsrahmen für die Ausfuhrkontrolle von Überwachungstechnologie zu stärken und umfassendere Vorgaben zum Schutz der Menschenrechte in die gegenwärtige europäische Reform der Dual-Use-Güter aufzunehmen.

„Die unwirksame Regulierung von Überwachungstechnologie führt zu massiven Verletzungen von Meinungs- und Pressefreiheit. Die EU muss endlich handeln und Transparenz und die Achtung von Menschenrechten innerhalb des Handels mit Überwachungstechnologie sicherstellen”, so Christian Mihr von Reporter ohne Grenzen.

Reporter ohne Grenzen zählte FinFisher zu den 20 Feinden des Internets 2020.



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