Türkei
24.10.2017
RedHack-Affäre: Prozess gegen sechs Journalisten
Reporter ohne Grenzen (ROG) fordert die türkische Justiz auf, die Anschuldigungen gegen sechs Journalisten fallenzulassen, die im Zusammenhang mit gehackten E-Mails des Energieministers von Dienstag an (24.10.) in Istanbul vor Gericht stehen. Ihnen werden unter anderem Verbindungen zu verschiedenen terroristischen Gruppen vorgeworfen. Den Journalisten drohen lange Haftstrafen. Auch der deutsch-türkische Korrespondent der Zeitung Die Welt, Deniz Yücel, war im vergangenen Dezember im Zuge der E-Mail-Affäre in das Visier der türkischen Justiz geraten. Sein Fall wurde jedoch vom Verfahren gegen die anderen Journalisten getrennt.
„Für ihren Mut, trotz der Risiken über sensible Themen zu berichten und die Öffentlichkeit zu informieren, verdienen die Journalisten Anerkennung. Dass ihnen stattdessen lange Haftstrafen drohen, ist beschämend“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. „Alle Anschuldigungen müssen fallengelassen und die drei inhaftierten Journalisten sofort freigelassen werden.“
Tunca Ögreten, Investigativjournalist und ehemaliger Redakteur der Nachrichtenseite Diken, Ömer Celik und Metin Yoksu, Reporter der geschlossenen Nachrichtenagentur Diha, Mahir Kanaat, Mitarbeiter der Tageszeitung Birgün, Eray Sargin, Chefredakteur der Zeitung Yolculuk und Derya Okatan, leitender Redakteur der Nachrichtenagentur Etha, wurden am 25. Dezember 2016 festgenommen. Einige der Journalisten hatten über gehackte E-Mails des türkischen Energieministers Berat Albayrak berichtet, der zudem Schwiegersohn von Präsident Recep Tayyip Erdogan ist. Das linke Hackerkollektiv RedHack hatte sich drei Monate zuvor Zugang zum E-Mail-Postfach von Albayrak verschafft und rund 60.000 E-Mails in Umlauf gebracht, die auf Wikileaks veröffentlicht wurden.
Rücktritt nach Enthüllungen
In den E-Mails ging es unter anderem um die Kontrolle türkischer Medienkonzerne und die Beeinflussung der Öffentlichkeit durch fingierte Nutzer im Kurznachrichtendienst Twitter. Die Berichte über die E-Mail-Affäre wurden in der Türkei stark zensiert.
Anfang Oktober trat infolge der Enthüllungen der Chef der türkischen Mediengruppe Dogan zurück. In einer der veröffentlichten E-Mails an Energieminister Albayrak soll sich Mehmet Ali Yalcindag bereit erklärt haben, im Sinne der Regierung zu berichten.
Die Journalisten Okatan, Sargin und Yoksu wurden nach der Festnahme Ende Dezember nach 24 Tagen in Polizeigewahrsam auf Kaution freigelassen. Celik, Kanaat und Ögreten hingegen sitzen immer noch im Gefängnis. Erst im Juli – knapp sieben Monate nach Beginn der Untersuchungshaft – wurde die Anklageschrieft gegen die Journalisten vorgelegt. Eine Anklageschrift gegen Deniz Yücel hingegen liegt immer noch nicht vor.
Vorwurf Terrorpropaganda
Darin wirft die Staatsanwaltschaft den Angeklagten unter anderem vor, den „Inhalt der E-Mails manipuliert“ zu haben, ohne diesen Vorwurf weiter zu erläutern. Zudem sehen sich die Journalisten verschiedenen Terrorvorwürfen ausgesetzt. Ögreten etwa wirft die Staatsanwaltschaft Verbindungen zur linksextremen Gruppe DHKP-C vor, die in der Türkei als Terrororganisation eingestuft wird. Zudem soll er laut Staatsanwaltschaft im Auftrag der Gülen-Bewegung Verbrechen begangen haben.
Birgün-Journalist Kanaat wird Mitgliedschaft in der Gülen-Bewegung vorgeworfen. Auch Diha-Reporter Celik soll, ebenso wie die drei bereits freigelassenen Journalisten, laut Anklageschrift Propaganda für eine terroristische Organisation verbreitet haben.
Verfahren vom Fall Deniz Yücel getrennt
Auch der Welt-Korrespondent Deniz Yücel hatte über die E-Mail-Affäre berichtet. Ende Dezember berichtete eine regierungsnahe Zeitung, dass unter anderem gegen Yücel im Zuge der RedHack-Affäre ermittelt werde. Ende Juni 2017 aber bestätigte die Staatsanwaltschaft seinen Anwälten, dass sein Fall getrennt von den anderen Journalisten verhandelt wird. Yücel sitzt seit Februar in Untersuchungshaft.
Laut der türkischen Medienplattform P24 sitzen derzeit rund 155 Journalisten in der Türkei in Haft. Reporter ohne Grenzen zählt Erdogan zu den größten Feinden der Pressefreiheit weltweit. Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht die Türkei auf Platz 155 von 180 Staaten.
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