Italien 16.04.2024

Reform würde Journalismus kriminalisieren

Der Politiker Alberto Balboni der Fratelli d'Italia Partei steht an einem Rednerpult und gestikuliert.
Die Italienische Regierung hat ein Reformvorhaben vorgelegt, dass Beobachterinnen und Beobachtern der Pressefreiheit in Italien Sorge bereitet. © picture alliance / ZUMAPRESS.com | Mauro Scrobogna

Italien plant eine Reform seines Verleumdungsgesetzes. Das Vorhaben wird derzeit vom Justizausschuss des italienischen Senats geprüft und sieht neben höheren Geldstrafen auch ein gefährliches Verbot journalistischer Berufsausübung vor: Verurteilte Reporterinnen und Reporter könnten ein Arbeitsverbot von bis zu sechs Monaten erhalten. Auch Haftstrafen für Medienschaffende, die eigentlich nicht im Gesetz auftauchen sollten, werden in einem jüngsten Änderungsantrag wieder hinzugefügt. Reporter ohne Grenzen (RSF) fordert die italienische Regierung auf, der Empfehlung des Europarats zur Bekämpfung von Einschüchterungsklagen nachzukommen und ein Gesetz ohne Haftstrafen oder die unverhältnismäßige Sanktion der erzwungenen Aussetzung journalistischer Arbeit zu verabschieden.

„Jeder Mensch hat das Recht, sich gegen Verleumdung und üble Nachrede mit juristischen Mitteln zur Wehr zu setzen. Wir sehen in diesem Reformvorhaben jedoch einen Versuch, die Pressefreiheit einzuschränken. Denn dieses würde in seiner jetzigen Form ein mehrmonatiges Berufsverbot für Journalistinnen und Journalisten ermöglichen, die wegen angeblicher Falschberichterstattung verurteilt worden sind. RSF beobachtet die Entwicklungen in Italien mit Sorge“, sagte RSF-Vorstandssprecherin Katja Gloger.

Hintergründe zur Reform

Der im Januar 2023 von Senator Alberto Balboni, einem Mitglied der postfaschistischen Fratelli d’Italia – der größten Partei in der Regierungskoalition unter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni – vorgeschlagene Gesetzentwurf würde die Forderungen eines Urteils des italienischen Verfassungsgerichtes aus dem Jahr 2021 umsetzen, das Artikel 13 des Pressegesetzes von 1948 als verfassungswidrig eingestuft hatte. In Italien ist Verleumdung nicht nur ein zivil-, sondern auch ein strafrechtlicher Tatbestand, der im Fall einer Verurteilung bis zu sechs Jahre Haft vorsieht. Doch gemäß eines am 11. April 2024 bekannt gewordenen Änderungsantrages von Senator Gianni Berrino (Fratelli d'Italia) könnten weiterhin Haftstrafen von bis zu vier Jahren in das neue Gesetz eingeschrieben werden.

Allerdings würde Balbonis Reformvorschlag, der von den Regierungsparteien unterstützt wird, im Falle einer Verurteilung wegen Verleumdung eine weitere Sanktion einführen: Das Verbot, als Journalistin oder Journalist zu arbeiten – für bis zu sechs Monate. Italien würde damit gegen völkerrechtliche Verpflichtungen verstoßen.

Da es sich bei journalistischen Tätigkeiten um die berufliche Ausübung eines Grundrechts, nämlich der Meinungsfreiheit, handelt, kann sie nicht a priori verboten werden. Eine solche Strafe würde gegen die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und gegen die Bestimmungen des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (International Covenant on Civil and Political Rights) verstoßen.

Mit der vorgeschlagenen Änderung wird auch die Höhe der Geldstrafe für Verleumdung von etwa 1.000 Euro auf 5.000 bis 10.000 Euro deutlich erhöht. Der Bußbetrag kann auf 50.000 Euro erhöht werden, wenn davon ausgegangen wird, dass es sich um eine wissentliche Veröffentlichung falscher oder diffamierender Inhalte handelt.

Einhaltung des europäischen Rechts

Am 5. April nahm das Ministerkomitee des Europarats eine Empfehlung zur Bekämpfung von SLAPPs (Strategic Lawsuits against Public Participation) an, in der die Mitgliedstaaten, darunter auch Italien, aufgefordert werden, „umfassende und wirksame Strategien zur Bekämpfung von SLAPPs“ zu entwickeln. Darin werden unter anderem zehn Indikatoren zur Identifizierung sogenannter Knebelklagen genannt, darunter die „Unverhältnismäßigkeit, Übertreibung oder Unangemessenheit“ der geforderten Rechtsmittel.

Unter anderem werden die Mitgliedstaaten in der Empfehlung aufgefordert, rechtliche Bestimmungen einzuführen, die es ermöglichen, SLAPPs schnell abzuweisen und die Opfer von SLAPPs zu unterstützen. Diese Empfehlung steht im Einklang mit dem Vorschlag der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2021. Einige Bestimmungen daraus sind nun im Rahmen der von der EU im Dezember letzten Jahres verabschiedeten Anti-SLAPP-Richtlinie rechtsverbindlich.



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