China 17.10.2017

Regierung schließt Schlupflöcher im Internet

Präsident Xi Jinping © picture alliance / AP Photo

Vor dem 19. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas in Peking am Mittwoch (18.10.) kritisiert Reporter ohne Grenzen (ROG) die verschärfte Kontrolle des Internets und die massive Unterdrückung unabhängiger Stimmen im Land. Seit September wird der Messenger-Dienst Whatsapp weitgehend blockiert. Mehrere Dissidenten, darunter die Deutsche-Welle-Autorin Gao Yu, müssen ihr Zuhause während des Parteitags zwangsweise verlassen.

„Die starken Einschränkungen kurz vor dem Parteitag zeigen erneut, dass Präsident Xi Jinping ein ausgefeiltes System der Onlinezensur und Überwachung geschaffen hat. Um kritische Stimmen zu unterdrücken, werden auch die letzten Schlupflöcher im Internet geschlossen. In kaum einem Land sitzen mehr Journalisten in Haft als in China“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr.

Verschärfte Kontrolle des Internets 

Die chinesischen Behörden schränken die Berichterstattung durch strikte Zensur ein. Viele Internetseiten und soziale Medien, darunter Facebook, Google-Dienste und ausländische Medien wie die Internetseite der New York Times, sind in China gesperrt. Unter Präsident Xi Jinping hat sich die Kontrolle des Internets in China noch mal massiv verschärft.

Schon Wochen vor dem Parteitag waren zeitweilig Funktionen von Whatsapp gestört, darunter der Versand von Fotos und Telefongespräche. Seit Ende September können Nutzer auch keine Textnachrichten mehr verschicken. Bis dahin wurde die Nutzung des verschlüsselten Messenger-Dienstes in China toleriert.

Mitte Juli berichtete Bloomberg, dass chinesische Telekommunikationsunternehmen ab Februar 2018 den Zugang von Privatpersonen zu VPNs blockieren sollen. Ein paar Tage später widersprachen die Behörden dem Bericht. Im gleichen Monat entfernte Apple auf Anweisung der chinesischen Zensurbehörde VPN-Apps zur Umgehung der Online-Zensur aus dem chinesischen Apple-Store.

Anfang Oktober trat eine neue Regelung in Kraft, die gegen Anonymität in Internetforen vorgeht. Demnach müssen sich Internetnutzer beim Anbieter mit Klarnamen registrieren, bevor sie Kommentare posten dürfen. Die Regelung gilt für Webseiten und Smartphone-Apps.

Verfolgung von Dissidenten und Bürgerjournalisten 

Mehr als ein Dutzend Dissidenten und Aktivisten in verschiedenen Städten Chinas wurden gezwungen, ihr Zuhause während des Parteitags zu verlassen und die Zeit überwacht in Gästehäusern zu verbringen, wie Radio Free Asia berichtet. Unter ihnen ist auch die bekannte Regimekritikerin und Deutsche-Welle-Journalistin Gao Yu, die 2015 wegen vermeintlichen Verrats von Staatsgeheimnissen verurteilt wurde und nun in Hausarrest sitzt. Die Behörden verweigern der herzkranken Gao die Ausreise zu einer medizinischen Behandlung im Ausland. In der zentralen Provinz Hubei nahm die Polizei drei Aktivisten fest, nachdem sie sich über die Anweisungen der Behörden beschwerten.

Anfang September nahm die Polizei ohne Erklärung den Aktivisten und Journalisten Zhen Jianghua, auch bekannt unter seinem Pseudonym Guests Zhen, in der südlichen Provinz Guangdong fest. Zhen ist Leiter von Across The Great FireWall (ATGFW.org), einer Informationswebseite, die sich mit dem Thema Internetsicherheit befasst und Tipps zur Umgehung der Online-Zensur gibt. Zhen wird seitdem an einem unbekannten Ort festgehalten. Seine Partnerin wurde ebenfalls festgenommen, aber nach sechs Stunden wieder freigelassen. Die Polizei durchsuchte die Wohnung des Paares und nahm elektronische Ausrüstung mit.

Etwa einen Monat zuvor verurteilte ein Gericht im Südwesten Chinas den Blogger Lu Yuyu zu vier Jahren Haft, weil er „Streit angefangen und Ärger provoziert“ haben soll, ein häufig genutzter schwammiger Vorwurf der Regierung, um Kritiker zum Schweigen zu bringen. Zusammen mit seiner Partnerin Li Tingyu hat Lu auf einem Blog systematisch Streiks und Demonstrationen im ganzen Land dokumentiert. Für seine Arbeit wurde er mit dem ROG-Pressefreiheitspreis 2016 ausgezeichnet.

Im vergangenen Jahr ging die Regierung auch gegen die Informationswebseite 64Tianwang vor, die mit einem Netz von Bürgerjournalisten über Menschenrechtsverletzungen in China informiert und 2016 von Reporter ohne Grenzen als Medium des Jahres ausgezeichnet wurde. Anfang 2016 wurde die freie Mitarbeiterin Wang Jing zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt. Ende des Jahres nahm die Polizei den Gründer der Webseite, Huang Qi, in der südwestchinesischen Provinz Sichuan fest. Aufgrund seines schlechten Gesundheitszustands befürchtet seine Mutter, die chinesischen Behörden könnten ihn wie schon Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo in Haft sterben lassen.

Ausländische Medien im Visier der Behörden

Auch ausländische Medien und Jornalisten in China sind Ziel der Schikanen gegen kritische Stimmen. Im August etwa nahmen Zivilpolizisten den Journalisten Nathan VanderKlippe in der autonomen Region Xinjiang in Westchina für einige Stunden fest. Sie konfiszierten vorübergehend seinen Computer und untersuchten die Dateien auf der Speicherkarte seiner Kamera. Nach seiner Freilassung wurde der Journalist der kanadischen Zeitung Globe and Mail noch rund 200 Kilometer verfolgt, bis er sein Hotel erreichte.

Zuvor waren der Voice of America-Reporter Ye Bing und sein Assistent in der nordöstlichen Stadt Tianjin von Zivilpolizisten festgenommen worden, während sie vor einem Gerichtsgebäude warteten, in dem das Verfahren gegen den Menschenrechtsverteidiger Wu Gan hinter verschlossenen Türen stattfand. Die Polizei hielt sie für vier Stunden fest, konfiszierte vorübergehend ihre elektronische Ausrüstung und zwang die Reporter dazu, ihre Fotos zu löschen.

Reporter ohne Grenzen zählt Präsident Xi Jinping zu den größten Feinden der Pressefreiheit weltweit. Derzeit sitzen 21 professionelle Journalisten sowie 82 Online-Aktivisten und Bürgerjournalisten in China in Haft. Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht China auf Platz 176 von 180 Staaten.



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