Slowakei 22.03.2024

Regierung soll Gesetzesentwurf zurückziehen

Martina Šimkovičová, die Kulturministerin der Slowakei, bei ihrem Amtsantritt.
Reporter ohne Grenzen fordert die Kulturministerin der Slowakei Martina Šimkovičová auf, einen Gesetzesentwurf zurückzuziehen. © picture alliance/dpa/CTK | Vaclav Salek

Reporter ohne Grenzen (RSF) fordert die slowakische Kulturministerin Martina Šimkovičová auf, einen Gesetzesentwurf zurückzuziehen. Dieser würde es der Regierung ermöglichen, Inhalte öffentlich-rechtlicher Medien zu kontrollieren – und das obwohl die Europäische Kommission die Regierung aufgefordert hat, die Unabhängigkeit öffentlicher Medien zu stärken, um die Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten. Am vergangenen Sonntag hatte zudem der slowakische Premierminister Fico ein beschleunigtes Gesetzgebungsverfahren für diesen Gesetzesentwurf angekündigt. Somit könnten die umstrittenen Bestimmungen noch vor den EU-Wahlen angewendet werden und damit die Integrität der Wahlen in der Slowakei gefährden.

„In einem beschleunigten Verfahren hat die Regierung von Ministerpräsident Robert Fico einen in der Geschichte der slowakischen Demokratie beispiellosen Versuch unternommen, heimlich die politische Kontrolle über den öffentlichen Rundfunk zu erlangen. Dieser Gesetzesentwurf, der den Empfehlungen des jüngsten Berichts der Europäischen Kommission über die Rechtsstaatlichkeit in der Slowakei und dem Europäischen Medienfreiheitsgesetz (EMFA) völlig zuwiderläuft, ist ein Affront gegen das europäische Recht“, sagte RSF-Vorstandssprecherin Katja Gloger.

In einem offenen Brief fordern RSF und weitere Pressefreiheits-Organisationen deshalb die europäischen Institutionen auf, Pressefreiheit und Demokratie in der Slowakei zu schützen. Es ist zu befürchten, dass das Vorhaben der Regierung deshalb auf die Unabhängigkeit der Medien abzielt, um die Wahlentscheidung im Hinblick auf die kommenden EU-Wahlen zu Gunsten der Regierungskolaition zu beeinflussen.

Hintergründe des Gesetzesentwurfs

Der am 11. März veröffentlichte Gesetzesentwurf sieht vor, die bestehende öffentlich-rechtliche Rundfunk- und Fernsehanstalt der Slowakei, RTVS, durch eine neue Einrichtung zu ersetzen, dessen Generaldirektion und Programminhalte von der Regierungskoalition bestimmt werden sollen. Nach Angaben der Regierung soll der Gesetzesentwurf bis Ende März vom Ministerrat und spätestens im Sommer vom Parlament verabschiedet werden.

Der Gesetzesentwurf steht im Widerspruch zum Bericht über die Rechtsstaatlichkeit in der Slowakei aus dem Juli 2023. Die Europäische Kommission forderte die slowakische Regierung darin auf, verstärkt an der der unabhängigen Verwaltung und der redaktionellen Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Medien zu arbeiten.

RTVS-Generaldirektor Ľuboš Machaj sagte, das vorgeschlagene Gesetz würde „eine politische Übernahme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks" ermöglichen – eine Ansicht, die von mehr als tausend RTVS-Mitarbeitern geteilt wird, welche die Rücknahme des Gesetzesentwurf gefordert haben.

Machaj, der vom Parlament zum Generaldirektor von RTVS gewählt wurde und planmäßig bis 2027 im Amt sein sollte, wird von der Regierungskoalition immer wieder zur Zielscheibe unbegründeter Vorwürfe der Befangenheit gemacht. Dieselben Entscheidungsträgerinnen und -träger könnten ihn entlassen, wenn der Gesetzesentwurf angenommen wird.

Mögliche Konsequenzen des Gesetzesentwurfs

Eine nachfolgende Leitung würde dann von einem neuen Verwaltungsrat gewählt werden. Der bestünde aus sieben Mitgliedern, von denen vier vom Parlament und drei vom Kulturminister ernannt werden. Dieser Programmausschuss soll dann dafür sorgen, dass die öffentlich-rechtlichen Medien ihren Auftrag erfüllen. Zudem könnte dieser Ausschuss die Generaldirektion entlassen, wenn er der Ansicht wäre, dass die Programmgestaltung nicht mit dem Gesetz übereinstimmt. Zudem hätte der Ausschuss die Befugnis, die Generaldirektion auch ohne Angabe von Gründen zu entlassen.

Obwohl eine Vertretung des Kulturministeriums am 14. März ankündigte, dass dieser letzte Punkt gestrichen würde, wird die politische Abhängigkeit des Programmausschusses durch eine im Gesetzesentwurf enthaltene Bestimmung verstärkt: Demnach könnte die jährliche Finanzierung des Senders aus dem Staatshaushalt von 0,12 Prozent auf 0,14 Prozent des BIP erhöht werden, wenn er sich verpflichtet, direkt von der Regierung gewünschte Inhalte zu produzieren.

RTVS sollte im Jahr 2024 0,17 Prozent des BIP an staatlichen Mitteln erhalten, bevor die derzeitige Regierungskoalition diese Mittel Ende 2023 auf 0,12 Prozent reduzierte - ein Rückgang um 30 Prozent.

Die Slowakei steht auf der Rangliste der Pressefreiheit von RSF auf Platz 17 von 180 Ländern.



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