Deutschland 28.10.2002

Reporter ohne Grenzen veröffentlicht Index zur weltweiten Situation der Pressefreiheit

Reporter ohne Grenzen veröffentlicht heute zum ersten Mal einen Index zur weltweiten Situation der Pressefreiheit in 139 Staaten.

Dabei zeigen sich überraschende Ergebnisse für die westlichen Demokratien. Die USA rangiert auf Platz 17 von insgesamt 139 untersuchten Staaten und erzielt damit ein schlechteres Ergebnis als Costa Rica. Auch Italien findet sich mit Platz 40 hinter Beninn einem der ärmsten Länder, wieder. Die Ergebnisse machen deutlich, dass die Wahrung der Pressefreiheit kein Monopol reicher Staaten ist. Auch unter schlechten ökonomischen Bedingungen ist es möglich, die Pressefreiheit zu achten.

Gravierende Einschränkungen der Pressefreiheit werden auf jedem Kontinent registriert. Unter den 20 Ländern mit den gröbsten Verstößen befinden sich neben afrikanischen, asiatischen und lateinamerikanischen Staaten auch die europäischen Länder Russland und Weißrussland. Ganz am Schluss stehen vier asiatische Staaten: Nord-Korea, China, Birma und Turkmenistan. Pressefreiheit ist in diesen Staaten faktisch nicht existent. Medien stehen unter der strengen Kontrolle und überwachung ihrer Regierungen. Unabhängige Journalisten gibt es kaum. Sie werden ständig bedroht, häufig verhaftet oder ins Exil gedrängt.

Ganz oben auf der Liste stehen vier europäische Länder - Finnland, Island, Norwegen und die Niederlande, die sich den ersten Platz teilen. Die Pressefreiheit wird in diesen Ländern gewissenhaft respektiert. Zusätzlich wird ihr deutliches Eintreten für die Pressefreiheit in anderen Ländern positiv bewertet. Deutschland schneidet mit dem siebten Rang ebenfalls gut ab.

Für die Ausarbeitung des Index beantworteten Journalisten, Wissenschaftler und Rechtsexperten einen 50 Fragen umfassenden Katalog. Abgefragt wurden verschiedene Aspekte von Verstößen, darunter direkte Angriffe (beispielsweise Morde und Verhaftung) ebenso wie politische, rechtliche oder ökonomische Einflüsse (beispielsweise über Zensur, über staatliche Monopole oder die restriktive Anwendung der Pressegesetze). Einzelne Aspekte wurden nach Bedeutung für die Pressefreiheit gewichtet. Für 139 Staaten lagen nach der Recherche verlässliche Informationen vor. Im Index sind Ereignisse zwischen September 2001 und Oktober 2002 berücksichtigt.

Nord- und Südamerika: Schlechte Platzierung für die USA - gutes Abschneiden für Costa Rica

In den USA wurden zahlreiche Journalisten verhaftet, weil sie in Gerichtsverhandlungen ihre Quellen nicht preisgaben oder weil sie nach dem 11. September angeblich Sicherheitsbestimmungen missachteten. Daher rangiert die USA auf Platz 17.

Als gutes Beispiel für Fortschritte in der Pressefreiheit steht Costa Rica auf Platz 15. Seit Februar 2002 ist Costa Rica eines der wenigen lateinamerikanischen Länder in dem Journalisten nicht mehr wegen ´Beleidigung von Amtspersonen´ bestraft werden können. Der Mord an dem Journalisten Parmenio Medina im Juli 2001 kann als eine Ausnahme in der Geschichte von Costa Rica gewertet werden.

Europa: Italien erhält schlechte Beurteilung - Türkei nur auf Rang 99

Alle 15 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, außer Italien, erzielten eine gute Platzierung. Italien erhält eine schlechte Beurteilung (Rang 40) vor allem weil die Medienvielfalt unter Premierminister Silvio Berlusconi erheblich bedroht ist. Die Türkei erreicht trotz Reformbestrebungen der Regierung im Zuge des angestrebten EU-Beitritts lediglich Rang 99. Nach wie vor werden Journalisten aufgrund ihrer Veröffentlichungen verurteilt, Medien werden regelmäßig zensiert. In Weißrussland (Rang 124) und Russland (121) sowie in anderen Staaten der ehemaligen Sowjetunion sind die Arbeitsbedingungen für Journalisten extrem schwierig. Sie werden bedroht, häufig auch festgenommen. In der Vergangenheit wurden Journalisten ermordet.

Mittlerer Osten und Israel

Kein arabisches Land gehört zu den 50 bestplatzierten Ländern. Libanon erreicht als bestplaziertes Land der Region nur den 56. Rang. Im Irak (Rang 130) und Syrien (126) nutzt der Staat jede Kontrollmöglichkeit und erstickt jede oppositionelle Meinung. Da die pälastinensische Autonomiebehörde momentan politisch geschwächt ist, kommt es derzeit zu weniger Einschränkungen der Pressefreiheit (Rang 82), auch wenn es weiterhin Versuche gibt, lokale und ausländische Journalisten einzuschüchtern und Einfluss auf die Berichterstattung zu nehmen. In Israel werden einheimische Medien und die Pressefreiheit weitgehend geachtet. Anders jedoch die Situation in der Westbank und im Gaza-Streifen. Seit Beginn der militärischen Besetzung in palästinensischen Städten im März 2002 wurden zahlreiche Journalisten bedroht, festgenommen oder ausgewiesen und Verstöße gegen internationale Abkommen registriert. Einige gerieten in Schusswechsel und wurden verletzt. Israel steht daher auf Platz 92.

Der Index steht in Englisch, Französisch und Spanisch zur Verfügung. Er kann im Internet abgerufen werden unter: www.rsf.org Oder bei: Reporter ohne Grenzen - Deutsche Sektion Tel. 030 / 615 85 85

kontakt@reporter-ohne-grenzen.de

nach oben