Iran 17.04.2024

RSF-Bericht: Repression über Grenzen hinweg

Irans Religionsführer Ajatollah Chamenei läuft neben seinem Bürochef Mohammed Mohammadi Golpajegani.
Irans Religionsführer Ajatollah Chamenei (rechts) und sein Bürochef Mohammed Mohammadi Golpajegani. © picture alliance / dpa / Arne Immanuel Bänsch

Vor nicht einmal drei Wochen wurde ein iranischer Journalist in London auf offener Straße niedergestochen. Reporter ohne Grenzen (RSF) hat am Mittwoch, 17. April 2024, einen Bericht über die zunehmende grenzüberschreitende Repression gegenüber iranischen Medienschaffenden im Vereinigten Königreich veröffentlicht. Dort lebt und arbeitet ein Großteil der Journalistinnen und Journalisten, die den Iran angesichts der vielfältigen Einschränkungen der Pressefreiheit verlassen haben. Hinter vielen Fällen von transnationaler Repression stecken die iranische Regierung oder ihr zugehörige Stellen selbst. RSF fordert Teheran auf, alle derartigen Angriffe auf die Presse einzustellen. Die britische Regierung wie auch die Regierungen anderer Länder, in denen iranische Medienschaffende arbeiten, müssen sicherstellen, dass diese innerhalb der Landesgrenzen frei und ohne Angst arbeiten können. Auch in Deutschland wurden iranische und iranischstämmige Journalisten und Reporter bereits Opfer transnationaler Repression.

„Dieser Bericht sollte ein Weckruf für die britischen Behörden und für die Demokratien weltweit sein", sagte Fiona O'Brien, Leiterin des RSF-Büros in London. „Dass die im Exil lebenden iranischen Journalistinnen und Journalisten trotz solcher Bedrohungen weiter berichten, zeigt ihren Mut. Um sie noch besser zu schützen, müssen die jeweiligen Regierungen, Strafverfolgungsbehörden, Social-Media-Plattformen und Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber noch stärker zusammenarbeiten.“

Seit Jahrzehnten geht die brutale Unterdrückung des unabhängigen Journalismus im Iran selbst mit der systematischen Verfolgung von Medienschaffenden einher, die aus dem Ausland über den Iran berichten. Neben dem Vereinigten Königreich gibt es Berichte über Einschüchterungen und Angriffe, online wie offline, aus den USA, Frankreich, Deutschland oder Schweden.

London ist die Heimat großer persischsprachiger Sender und auch wegen der großen Zahl iranischer Medienschaffender ein häufiges Ziel solcher Angriffe. Für den vorliegenden Bericht hat RSF mit Dutzenden iranischen Exiljournalistinnen und -journalisten, die im Vereinigten Königreich arbeiten, gesprochen. Er stützt sich auf eine qualitative Umfrage unter Mitarbeitenden verschiedener Nachrichtenmedien, darunter BBC News Persian, Iran International und Manoto, sowie auf mehr als 20 Interviews mit Journalistinnen und Arbeitgebern. Besonders Iran International stand in der Vergangenheit im Visier Teherans.

Der Bericht zeigt, dass das Ausmaß der grenzüberschreitenden Bedrohung beispiellos ist, vor allem im Online-Bereich stark zugenommen hat und mit enormen beruflichen und persönlichen Kosten verbunden ist. Weibliche Medienschaffende sind besonders betroffen. Der Bericht zeigt auch, dass die Auswirkungen der grenzüberschreitenden Unterdrückung iranischer Medien im Vereinigten Königreich von der Regierung, den Strafverfolgungsbehörden oder den sozialen Medienplattformen nicht angemessen berücksichtigt werden.

Bedrohungen auch in Deutschland

Im Januar machte der in Deutschland lebende iranische Journalist Farhad Payar einen Fall transnationaler Repression öffentlich. Payar ist Redaktionsleiter des Iran Journal und langjähriger früherer Mitarbeiter der Farsi-Redaktion der Deutschen Welle. Die Behörden im Iran hatten seine Nichte Ghazaleh Zarea unter anderem wegen der angeblichen Zusammenarbeit mit „antirevolutionären Ausländern“ – gemeint war ihr Onkel Farhad Payar – zu drei Jahren Haft verurteilt. RSF hatte dieses Vorgehen damals aufs Schärfste verurteilt. Mittlerweile ist die Haft- in eine Geldstrafe umgewandelt worden.

Eine Reihe iranischer Journalistinnen und Journalisten in Deutschland hatten gegenüber RSF bestätigt, dass Bedrohungen und Attacken gerade nach dem Beginn der „Frau-Leben-Freiheit“-Proteste stark zugenommen haben, besonders im digitalen Bereich.

Im Iran selbst sitzen derzeit 20 Medienschaffende in Haft. Nilufar Hamedi und Elahe Mohammadi wurden zwar am 14. Januar 2024 gegen hohe Kaution aus der Haft entlassen, allerdings direkt erneut angeklagt. Die beiden Journalistinnen hatten als erste über das Schicksal der kurdischen Studentin Jina Mahsa Amini berichtet, die am 16. September 2022 in Polizeigewahrsam ums Leben kam.

In den iranischen Gefängnissen kommt es immer wieder zu Folter und schweren sexuellen Misshandlungen auch gegenüber Medienschaffenden. Die Journalistin und Menschenrechtsaktivistin Narges Mohammadi wurde 2023 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet und wird weiterhin schikaniert, weil sie sich auch aus dem Gefängnis heraus für ihre inhaftierten Kolleginnen eingesetzt hat.

Auf der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit steht der Iran auf Platz 177 von 180. Die neue Rangliste 2024 erscheint zum Internationalen Tag der Pressefreiheit am 3. Mai 2024.



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