Russland
28.02.2022
RSF sieht EU-Verbot von RT und Sputnik kritisch
Die russischen Staatsmedien RT und Sputnik sind ein zentrales Element der Putinschen Propaganda und damit ein wichtiger Teil seines Angriffskriegs gegen die Ukraine. Dennoch hält Reporter ohne Grenzen (RSF) das geplante Verbot der beiden Medien durch die EU für nicht zielführend. RSF befürchtet, dass die negativen Auswirkungen eines solchen Verbots auf die Berichterstattung aus Russland schwerer wiegen als die kurzfristig beabsichtigten Effekte.
„Es steht außer Frage, dass RT und Sputnik Propagandakanäle eines zutiefst repressiven Staates sind“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Der russische Medienapparat zensiert, verbreitet Desinformation und wähnt sich in einem Informationskrieg. Kritik an Putin oder der Regierung kommt in den Programmen nicht vor. Trotzdem sehen wir ein Verbot von RT und Sputnik kritisch. Der Einfluss dieser Medien auf die Meinungsbildung in Europa ist begrenzt, die zu erwartenden russischen Gegenmaßnahmen allerdings könnten eine unabhängige Berichterstattung aus Russland erschweren oder sogar unmöglich machen. Dass es Gegenmaßnahmen geben wird, hat nicht zuletzt der Umgang mit der Deutschen Welle gezeigt.“
Am 3. Februar hatte das russische Außenministerium der Deutschen Welle ein Sendeverbot erteilt, ihre in Moskau akkreditierten Mitarbeitenden verloren ihre Arbeitserlaubnis. Laut dem Ministerium erfolgte dieser Schritt als direkte Reaktion auf die Entscheidung der deutschen Regulierungsbehörde ZAK, die Verbreitung von RT DE, dem deutschsprachigen Programm des russischen Staatssenders RT, ohne Lizenz zu untersagen. RT DE hatte keine Sendelizenz für Deutschland beantragt.
RSF ist nicht davon überzeugt, dass der mögliche Nutzen eines Verbots der Medien RT und Sputnik, das in Deutschland seit Dezember 2020 unter SNA firmiert, die Kosten aufwiegt. Die Auswirkungen auf die Arbeit internationaler Korrespondentinnen und Korrespondenten in Russland und, allgemeiner, auf das Recht des freien Zugangs zu Informationen wären immens. Mediennutzerinnen und -nutzer in Russland und in Europa könnten sich angesichts einer stark schrumpfenden medialen Vielfalt immer weniger unabhängig informieren. Schon vor dem Ukraine-Krieg hat RSF die massive Einschränkung der Pressefreiheit in Russland beklagt. Mehr als hundert Medien und Einzelpersonen hat das Justizministerium inzwischen zu „ausländischen Agentinnen und Agenten“ erklärt, viele Redaktionen haben ihre Arbeit deshalb eingestellt.
Asymmetrie zwischen demokratischen und autoritären Staaten
Um zukünftige Informationskriege zu verhindern, hat RSF deshalb das Konzept für ein System zum Schutz demokratisch verfasster Informationsräume vorgestellt. Kern ist ein Mechanismus der Gegenseitigkeit (Reziprozität) auf der Grundlage universeller Prinzipien der Meinungs- und Informationsfreiheit. Die Globalisierung von Nachrichten und Informationen hat zu einem Ungleichgewicht geführt, bei dem sich abschottende Länder ihren Informationsraum kontrollieren, während der Informationsraum in demokratischen Ländern für alle offen und zugänglich bleibt. Diese Asymmetrie ermöglicht es diktatorischen und autoritären Regimen, ihre Propaganda zu exportieren, während sie selbst sich gegen Nachrichten und Informationen abschotten, die unter freien Bedingungen produziert werden. Das verschafft ihnen einen Wettbewerbsvorteil, der den Journalismus und im weiteren Sinne die Demokratie schwächt.
Um dem entgegenzusteuern, hat RSF während der Globalen Konferenz für Medienfreiheit in Tallinn am 8. und 9. Februar zwei konkrete Handlungsstränge vorgeschlagen: Zum einen müssen alle audiovisuellen Medien, die in demokratischen Räumen senden, gleichbehandelt werden. Zum anderen sollten demokratische Länder die Öffnung ihres eigenen Medienmarktes an die Öffnung des Medienmarktes in von autoritären Regimen regierten Ländern knüpfen. Anstatt die Schließung und Abschottung von Medienräumen zu verstärken, zielt dieser Vorschlag darauf ab, mehr Offenheit und Respekt für universelle Prinzipien zu fördern. Ein Beispiel dafür ist Russland mit RT und Sputnik, aber auch China mit seinem staatlichen Auslandssender CGTN.
Ein Hintergedanke dieses Schutzkonzepts für demokratische Informationsräume ist auch, dass die Aufgabe, sich gegen staatliche Desinformationskampagnen zu wehren, in die Hände demokratischer Institutionen gehört, und nicht etwa in die von international agierenden Plattformen wie YouTube, Twitter oder Facebook und den dahinterstehenden Konzernen. Ihr Einfluss ist potenziell groß: YouTube hat am 26. Februar mit Bezug auf den Ukraine-Krieg die Monetarisierung der Kanäle von mehreren russischen Staatsmedien ausgesetzt. Das bedeutet, dass die Betreiber für ihre Inhalte keine Werbeeinnahmen mehr erhalten.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Russland auf Platz 150 von 180 Staaten.
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