Waffenstillstand in Gaza 16.01.2025

RSF fordert Zugang und Aufarbeitung

Zwei Männer umarmen sich, einer trägt eine Presseweste und ist von hinten zu sehen, der andere schaut ernst.
Zwei Männer sprechen sich auf der Beerdigung eines Journalisten aus Gaza im Januar 2025 Mut zu. © picture alliance / Anadolu / Ashraf Amra

In einem Jahr und drei Monaten Krieg in Gaza sind mehr als 150 palästinensische Medienschaffende durch Angriffe der israelischen Armee ums Leben gekommen, darunter mindestens 41 im Zusammenhang mit ihrer Arbeit. Am 15. Januar haben Israel und die Hamas einen Waffenstillstand vereinbart. Reporter ohne Grenzen (RSF) fordert, dass nun endlich Journalistinnen und Reporter in den Gazastreifen reisen dürfen, und setzt sich weiterhin für eine umfassende juristische Aufarbeitung der Verbrechen an Medienschaffenden ein.

„Jetzt müssen dringend internationale Berichterstattende in das abgeriegelte Gebiet gelassen werden, auch um israelische Kriegsverbrechen zu dokumentieren und die juristische Aufarbeitung zu unterstützen“, sagte RSF-Geschäftsführerin Anja Osterhaus. „Über 15 Monate hinweg wurden Journalistinnen und Journalisten in Gaza getötet, verleumdet und bedroht. Viele von ihnen mussten mehrfach vor Angriffen der israelischen Armee fliehen und haben trotzdem weiter berichtet. Ohne sie hätten wir kaum noch etwas aus Gaza erfahren.“

Seit den tödlichen Attacken der Hamas am 7. Oktober 2023 in Israel und der darauffolgenden israelischen Bodeninvasion ist Gaza für Journalistinnen und Journalisten die gefährlichste Region der Welt. Das zeigt unter anderem die Mitte Dezember erschienene RSF-Jahresbilanz 2024. Noch immer kämpft etwa der Journalist Fadi al-Wahidi von Al-Dschasira (Al-Jazeera), der am 9. Oktober 2024 bei der Berichterstattung aus dem Geflüchtetenlager Dschabalia im nördlichen Gazastreifen schwer verletzt wurde, um sein Leben. Die israelischen Behörden weigern sich trotz wiederholter Aufrufe von RSF weiterhin, seiner Verlegung in ein Krankenhaus im Ausland zuzustimmen. Darüber hinaus werden die palästinensischen Fotojournalisten Haytham Abdel Wahed und Nidal al-Wahidi seit dem 7. Oktober 2023 vermisst.

Riesiger Bedarf am Wiederaufbau der Medien

Viele Journalistinnen und Journalisten in Gaza haben Angehörige verloren und leben in großer persönlicher Not. Sie arbeiten in provisorischen Redaktionsräumen in Zelten, häufig in der Nähe von Krankenhäusern. Dort gibt es den vergleichsweise verlässlichsten Zugang zu Strom und Internet. Wenn das Waffenstillstandsabkommen zu einem dauerhaften Frieden führen soll, müssen erhebliche Mittel für den Wiederaufbau der Medien in Gaza bereitgestellt werden.

Dieser Wiederaufbau muss Hand in Hand mit einer umfassenden juristischen Aufarbeitung der an Journalistinnen und Journalisten begangenen Verbrechen erfolgen. Das ist eine der Kernforderungen von Reporter ohne Grenzen. Am 24. September 2024 hat die Organisation die bereits vierte Strafanzeige beim Internationalen Strafgerichtshof wegen Kriegsverbrechen seitens der israelischen Armee eingereicht. Die erste Strafanzeige hatte RSF am 1. November 2023 vorgelegt, in dieser ging es auch um Kriegsverbrechen der Hamas.

Verhaftungen im Westjordanland, Druck in Israel

Neben der israelischen Offensive in Gaza war das Westjordanland Ziel zahlreicher Übergriffe durch israelische Behörden und Siedlerinnen und Siedler. Bedroht wurden vor allem palästinensische Medienschaffende, aber auch internationale Reporterinnen und Reporter. Auf der Liste der Länder mit den meisten inhaftierten Medienschaffenden steht Israel auf dem dritten Platz. Das geht aus der RSF-Jahresbilanz 2024 hervor.

Die rechtsextreme israelische Regierung hat den Kriegszustand zudem genutzt, um ihren Einfluss auf die Medienlandschaft zu verstärken. RSF kritisiert die Einschüchterung regierungskritischer Medien und mehrere repressive Gesetzesentwürfe von Kommunikationsminister Shlomo Karhi – sie würden die Unabhängigkeit der Medien gefährden.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen stehen die Palästinensischen Gebiete auf Platz 157 von 180, Israel auf Rang 101.



nach oben