Türkei / Fall Osman Kavala 19.02.2020

Schockierendes Beispiel für Justiz-Willkür

Osman Kavala
Osman Kavala © picture alliance/AA

Reporter ohne Grenzen ist entsetzt über die erneute Festnahme des Verlegers und Kulturmäzens Osman Kavala in der Türkei.

„Diese jüngste Wendung illustriert auf schockierende Weise die Willkür, mit der Regierung und Justiz der Türkei gegen unbequeme Stimmen in Zivilgesellschaft und Medien vorgehen“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. „Die erneute Festnahme von Osman Kavala zielt eindeutig auf Einschüchterung und Zermürbung. Die Bundesregierung muss sich in aller Deutlichkeit dafür einsetzen, dass diese Justiz-Farce schnell beendet wird und dass Medienschaffende und Zivilgesellschaft in der Türkei ohne Angst vor Repressalien arbeiten können.“

Eine Strafkammer in Istanbul hatte Kavala und acht Mitangeklagte im sogenannten Gezi-Prozess am Dienstag vom Vorwurf eines Umsturzversuchs freigesprochen. Zugleich ordnete sie Kavalas sofortige Freilassung aus der mehr als zweijährigen Untersuchungshaft an. Kurz nach der formalen Entlassung aus dem Gefängnis wurde er jedoch erneut festgenommen, diesmal aufgrund eines neuen Haftbefehls wegen Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Putschversuch von 2016.

Angeklagt unter anderem wegen Plänen für privaten Fernsehsender

Osman Kavala widmet sich seit rund 30 Jahren der Förderung von Zivilgesellschaft und Kultur in der Türkei. Er hat zahlreiche unabhängige Menschenrechtsorganisationen unterstützt und eine Reihe von Verlagen und zivilgesellschaftlichen Organisationen mitgegründet. Im Zusammenhang mit den Gezi-Protesten warf die türkische Staatsanwaltschaft ihm unter anderem vor, er habe mit Journalisten, Geschäftsleuten und ausländischen Stellen in Kontakt gestanden, um einen privaten Fernsehsender zu gründen.

Kavala war seit Oktober 2017 festgehalten worden und musste sich seit März 2019 wegen des Vorwurfs verantworten, er habe die regierungskritischen Gezi-Proteste von 2013 und damit einen „Umsturzversuch“ mit ausländischer Hilfe finanziert. Bei einer Verurteilung hätte ihm lebenslange Haft gedroht. Am 10. Dezember urteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dass die Türkei keinerlei Beweise für ihre Anschuldigungen vorgelegt habe und dass Kavala umgehend freigelassen werden müsse. Darüber setzte sich die zuständige Strafkammer in Istanbul jedoch noch Ende Januar hinweg. Zusammen mit Kavala waren 15 weitere Menschen angeklagt, darunter der in Deutschland im Exil lebende Journalist Can Dündar.

Reporter ohne Grenzen hat das Vorgehen der Justiz gegen Kavala gemeinsam mit Menschenrechts-, Kultur- und Journaistenorganisationen verurteilt.

Parallelen zum Fall von Ahmet Altan

Das Vorgehen der türkischen Justiz gegen Osman Kavala weist Parallelen zum Fall des Journalisten und Schriftstellers Ahmet Altan auf. Altan wurde zuletzt am 13. November auf Betreiben der Staatsanwaltschaft verhaftet – nur eine Woche, nachdem ein Gericht seine Freilassung unter Auflagen angeordnet hatte. Am 4. November hatte ihn ein Gericht wegen hanebüchener Anschuldigungen der „Unterstützung einer terroristischen Organisation“ zu zehneinhalb Jahren Haft verurteilt. Zugleich ordnete es aber seine Freilassung an, weil er zu diesem Zeitpunkt schon mehr als dreieinhalb Jahre in Untersuchungshaft verbracht hatte. Ursprünglich war er zu lebenslanger Haft wegen eines angeblichen Versuchs zum Umsturz der Verfassungsordnung verurteilt worden, doch das oberste Berufungsgericht der Türkei verwarf dieses Urteil und ordnete einen neuen Prozess an.

Die Türkei steht auf Platz 157 von 180 Ländern auf der Rangliste der Pressefreiheit.



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