USAID-Stopp
05.02.2025
Schwerwiegende Folgen für Medien weltweit
Die von der neuen US-Regierung für zunächst 90 Tage angeordnete Aussetzung fast aller Auslandshilfen hat schwerwiegende Folgen für den Journalismus in der ganzen Welt. Auch viele Exilmedien stehen vor großen Herausforderungen. Das US-Außenministerium ließ Gelder für Hilfsprojekte in Höhe von Milliarden von Dollar einfrieren, darunter 268 Millionen Dollar, die der Kongress zur Unterstützung unabhängiger Medien bereitgestellt hatte. Medien und journalistische Organisationen weltweit mussten einen Teil ihrer Aktivitäten von einem Tag auf den anderen einstellen.
Reporter ohne Grenzen (RSF) verurteilt die Entscheidung der Regierung in Washington und appelliert an die internationale Gemeinschaft sowie an private Geldgeber, sich für eine nachhaltige Finanzierung unabhängiger Medien einzusetzen. „Die abrupte Aussetzung der amerikanischen Hilfsgelder führt weltweit zu großer Verunsicherung, im gesamten humanitären Bereich und auch im Journalismus“, sagt RSF-Geschäftsführerin Anja Osterhaus. „Sollte diese Unterstützung langfristig wegfallen, können viele Medien ihre wichtige Aufgabe nicht mehr erfüllen, den Menschen freie und unabhängige Informationen zur Verfügung zu stellen. Vor allem in autoritären Ländern spielt solch eine Entwicklung staatlicher Propaganda in die Hände.“
Zu den betroffenen Organisationen gehören internationale NGOs, die unabhängige Medien unterstützen, sowie kleinere Medienhäuser und Redaktionen, die aus dem Exil arbeiten. Sie versorgen Menschen in Ländern mit repressiven Regierungen, wie dem Iran und Russland, mit unabhängigen Informationen.
Exilmedien stehen unter Druck
RSF steht mit Medien, Organisationen und Einzelpersonen weltweit in Kontakt, die von dem Stopp der Hilfszahlungen betroffen sind. „Wir haben Artikel bis Ende Januar geplant, aber wenn wir danach keine Lösungen gefunden haben, können wir nichts mehr veröffentlichen“, erklärt der Vertreter eines belarussischen Exilmediums, der anonym bleiben möchte. Das Kameruner Investigativmedium DataCameroon musste unter anderem die Berichterstattung über die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen einstellen. Ein iranisches Exilmedium, das nicht genannt werden möchte, ist ebenfalls stark betroffen: Es musste die Gehälter der Mitarbeitenden auf ein Minimum kürzen, um sein Überleben zu sichern. Eine von RSF befragte Journalistin warnt, dass die Auswirkungen des Finanzierungsstopps einige der letzten freien Stimmen zum Schweigen bringen könnte. Die iranische Staatspropaganda würde das daraus resultierende Informationsvakuum zwangsläufig füllen – „wenn wir dicht machen müssen, haben sie mehr Macht“, sagt sie.
Nach Angaben der US-Regierung soll die Aussetzung der Auslandshilfen 90 Tage dauern. Außenminister Marco Rubio leitete eine Überprüfung ein, um sicherzustellen, dass alle Hilfsprogramme im Einklang mit Donald Trumps „America First“-Politik stehen. Katerina Abramova, stellvertretende Geschäftsführerin des größten russischen Exilmediums Meduza, befürchtet jedoch, dass die Überprüfung der Finanzierungsverträge viel länger dauern könnte – und, dass die Mittel dauerhaft gestrichen werden könnten. „Exilmedien sind in einer noch prekäreren Lage als andere, da die Spendenmöglichkeiten unseres Publikums begrenzt sind – vor allem, wenn eine Spende an Meduza in Russland ein Verbrechen ist“, betont Abramova. Der von RSF gegründete JX Fund, der Medien im Exil unterstützt, ist im engen Austausch mit den betroffenen Medienhäusern, um Wege für eine Notfall-Unterstützung zu finden.
USA unterstützen Medien in über 30 Ländern
Das volle Ausmaß der Auswirkungen, die der Auslandshilfe-Stopp auf die globale Medienlandschaft haben könnte, ist schwer absehbar. Die Behörde für internationale Entwicklung (USAID), die für die Hilfszahlungen zuständig ist, unterstützt Medien in über 30 Ländern. Viele betroffene Organisationen zögern, sich öffentlich zu äußern, weil sie befürchten, ihre langfristige Finanzierung zu riskieren oder politisch angegriffen zu werden. Laut Informationen von USAID finanzierte die Behörde im Jahr 2023 die Ausbildung und Unterstützung von 6.200 Journalistinnen und Journalisten weltweit. Darüber hinaus unterstützte die Behörde 707 nichtstaatliche Nachrichtensender und 279 zivilgesellschaftliche Organisationen aus dem Mediensektor, die sich für die Stärkung unabhängiger Medien einsetzen.
Schwierige Lage für ukrainische Medien
Auch für Medien in der Ukraine ist die Lage sehr schwierig: Seit der Vollinvasion durch Russland sind die Einnahmen durch Werbung zusammengebrochen, die Unterstützung aus den USA hat geholfen, diese Lücke zu schließen. Neun von zehn Medien konnten dank finanzieller Unterstützung ihre Arbeit weiterführen. Mehrere lokale Medien haben nun angekündigt, ihre Tätigkeiten vorerst einzustellen, während sie nach alternativen Lösungen suchen. „Bei Slidstvo.Info sind 80 Prozent unseres Budgets betroffen“, sagt Anna Babinets, CEO und Gründerin des unabhängigen Investigativmediums mit Sitz in Kyjiw.
Die vulnerable Situation der ukrainischen Medien birgt eine weitere Gefahr in sich: Das Ausbleiben der amerikanischen Hilfsgelder könnte anderen Finanzierungsquellen die Tür öffnen, die Einfluss auf die Berichterstattung und redaktionelle Entscheidungen nehmen wollen. „Einige Medien könnten von Geschäftsleuten oder Oligarchen aufgekauft werden“, meint Anna Babinets. „Russisches Geld wird auf den Markt gelangen und Propaganda weiter zunehmen.“
Für Oleh Dereniuha, Chefredakteur des ukrainischen Lokalmediums NikVesti, ist die Einstellung der US-Finanzierung nur die Spitze des Eisberg, die den Ernst der Lage verdeutliche: Seit 2024 sei es für unabhängige ukrainische Medien aufgrund des Rückgangs von Spenden nahezu unmöglich, ihre Finanzen nachhaltig zu sichern. Infolgedessen könnten selbst geringfügige Budgetkürzungen diese Medien in eine prekäre Lage bringen.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen stehen die USA auf Platz 55 von 180 Staaten.
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