Deutschland 01.12.2014

Sicherer Aufenthalt für Edward Snowden

© picture alliance / R. Goldmann

Anlässlich der Verleihung des „Alternativen Nobelpreises“ an Edward Snowden erneuert Reporter ohne Grenzen seine Aufforderung an die Bundesregierung, dem US-Whistleblower einen sicheren Aufenthalt in Deutschland zu gewähren. Zugleich missbilligt die Organisation die geplante Strafanzeige der Regierung gegen mutmaßliche Whistleblower in Deutschland.

„Edward Snowden hat alles riskiert, um die massenhafte Verletzung von Grundrechten durch Geheimdienste zu enthüllen. Dass er bis heute auf den Schutz eines repressiven Staates wie Russland angewiesen ist, stellt ein Armutszeugnis für Deutschland und alle Staaten dar, die sich als liberale Demokratien verstehen“, sagte ROG-Vorstandssprecher Michael Rediske.

Zugleich wies er darauf hin, dass sich die Bundesregierung soeben bei den Vereinten Nationen für weniger Überwachung und mehr Schutz der Privatsphäre starkgemacht hat. „Wenn der Bundesregierung tatsächlich an besserem Schutz vor Überwachung gelegen ist, sollte sie mutige Enthüller wie Edward Snowden aufnehmen, anstatt Whistleblower in den eigenen Reihen zu verfolgen“, sagte Rediske.

Snowden erhält heute in Stockholm zusammen mit dem Chefredakteur der britischen Tageszeitung The Guardian, Alan Rusbridger, den diesjährigen Right Livelihood Award. Allerdings kann der Whistleblower den Preis nicht persönlich entgegennehmen, da er aus Furcht vor US-Strafverfolgung weiterhin in befristetem russischem Asyl lebt. Durch die von ihm angestoßenen Enthüllungen ist Snowden zum Sinnbild dafür geworden, wie wichtig Hinweisgeber aus Behörden und Unternehmen sind, damit Journalisten ihre Wächterfunktion wahrnehmen und Missstände aufdecken können, von denen die Öffentlichkeit sonst vielleicht nie erführe. 

Regierung setzt auf mehr Geheimhaltung statt Transparenz

Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel hatte am Wochenende berichtet, die Bundesregierung plane eine Strafanzeige wegen Verrats von Dienstgeheimnissen, um die Quellen mehrerer Medienberichte mit Informationen aus vertraulichen Geheimdienstpapieren ausfindig zu machen. Im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags hat sie unterdessen die ohnehin umstrittene Geheimhaltungspraxis noch verschärft und jüngst erstmals eine Vernehmung als „streng geheim“ eingestuft, wodurch die Aufklärungsarbeit des Ausschusses empfindlich gehemmt wird.

Solche immer weiter gehenden Restriktionen laufen den Forderungen von Reporter ohne Grenzen und anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren diametral zuwider, die Arbeit des Ausschusses so transparent wie möglich zu gestalten und seine Sitzungen öffentlich abzuhalten. Dabei machen die Erkenntnisse des Untersuchungsausschusses sowie Medienrecherchen der vergangenen Monate schon jetzt deutlich, dass noch erheblicher Aufklärungsbedarf etwa über die NSA-Überwachung deutscher Bürger besteht, aber auch über die Überwachungspraktiken deutscher Geheimdienste sowie über deren Zusammenarbeit mit den Diensten der USA und Großbritanniens.

Für ein Land wie Deutschland, das eine Vorreiterrolle bei den Menschenrechten einnehmen will, wiegt die Beteiligung an der massenhaften Überwachung von Bürgern umso schwerer, als es damit der eigenen westlichen Kritik an autoritären Staaten wie China, Saudi-Arabien oder Turkmenistan den Wind aus den Segeln nimmt.



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