Bundestagsbeschluss
23.06.2017
Signal gegen Straflosigkeit
Als erstes Parlament weltweit hat sich der Bundestag hinter die Forderung von Reporter ohne Grenzen (RSF) gestellt, einen Sonderbeauftragten der Vereinten Nationen für den Schutz von Journalisten zu berufen. Mit einem Entschließungsantrag forderte das Parlament am Freitag die Bundesregierung auf, „eine UN-Initiative zum Schutz von Journalistinnen und Journalisten und gegen Straflosigkeit zu unterstützen und die Einsetzung eines Sonderbeauftragten voranzubringen“. Dieser soll die Einhaltung der völkerrechtlichen Verpflichtungen der UN-Mitgliedsstaaten zum Schutz von Journalisten überwachen und direkt an den UN-Generalsekretär berichten.
„Dass Jahr für Jahr Dutzende Journalisten wegen ihrer Arbeit ermordet werden, ist ein unerträglicher Zustand“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Dieser Bundestagsbeschluss ist ein wichtiges Signal, die Vereinten Nationen mit wirksamen Werkzeugen auszustatten, um die vielen UN-Beschlüsse zum Schutz von Journalisten endlich durchzusetzen. Jetzt ist die Bundesregierung gefordert, sich öffentlich für die Einsetzung eines UN-Sonderbeauftragten starkzumachen und der Initiative für einen UN-Sonderbeauftragten damit einen diplomatischen Schub zu geben.“
Mit dem Entschließungsantrag fordert der Bundestag die Regierung auch auf, Möglichkeiten zur Finanzierung des Sonderbeauftragten aufzuzeigen und bei weiteren Staaten um Beteiligung und Zustimmung zu der Initiative zu werben. Den Entschließungsantrag hatten die Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD eingebracht.
Teufelskreis der Straflosigkeit
Seit 2007 sind weltweit mindestens 711 Journalisten in direktem Zusammenhang mit ihrer Arbeit getötet worden. Trotz zahlreicher Resolutionen verschiedener UN-Gremien hat sich daran bislang nichts Grundlegendes geändert. In vielen der betroffenen Länder tritt der Kampf gegen solche Gewaltverbrechen auf der Stelle.
Und das gilt nicht nur für Kriegsländer wie Syrien oder den Irak, sondern auch für Staaten wie Mexiko oder die Philippinen, in denen Jahr für Jahr Journalisten ermordet werden, aber nur in den seltensten Fällen die Täter oder gar ihre Auftraggeber vor Gericht kommen. Organisiertes Verbrechen, korrupte Justizsysteme sowie Politiker und Sicherheitsbehörden, die oft selbst von kriminelle Netzwerken profitieren, befeuern immer wieder aufs Neue einen Kreislauf der Straflosigkeit: Weil die Täter und ihre Auftraggeber fast nie bestraft werden, müssen sich Nachahmer geradezu ermutigt fühlen. Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, fehlt offensichtlich der politische Wille.
So wurden allein in Mexiko in diesem Jahr schon sechs Journalisten ermordet. Während der Amtszeit von Präsident Enrique Peña Nieto seit Ende 2012 starben mindestens 27 Journalisten in direktem Zusammenhang mit ihrer Arbeit. Die Opfer waren regelmäßig Journalisten, die trotz Drohungen über Tabu-Themen wie organisierte Kriminalität oder Korruption lokaler Behörden berichtet haben. Erst nach dem sechsten Journalistenmord seit Jahresbeginn und nach Protesten in mehreren Städten sah sich Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto veranlasst, die Taten zu verurteilen und Gegenmaßnahmen anzukündigen.
UN-Sonderbeauftragter sollte selbständig ermitteln dürfen
Hier setzt die RSF-Initiative für einen UN-Sonderbeauftragten an: Um mit dem nötigen politischen Gewicht auf die betreffenden Regierungen einwirken und bei Bedarf schnell handeln zu können, sollte er direkt dem UN-Generalsekretär unterstehen. Außerdem sollte er die Befugnis zu eigenständigen Untersuchungen haben, wenn Staaten nach Gewalttaten gegen Journalisten nicht selbst ermitteln.
Reporter ohne Grenzen wirbt deshalb bei den Vereinten Nationen seit 2015 intensiv für einen UN-Sonderbeauftragten für den Schutz von Journalisten. Ziel der Kampagne ist, dass die UN-Vollversammlung einen solchen Sonderbeauftragten einsetzt und mit einem starken Mandat ausstattet.
Dutzende Nichtregierungsorganisationen und Medienunternehmen unterstützen die Forderung nach einem UN-Sonderbeauftragten für den Schutz von Journalisten bereits. Auch mehrere Regierungen haben sich schon öffentlich zu ihr bekannt.
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