Slowakei 13.06.2024

Regierung erhöht Druck auf freien Journalismus

Regierungschef Robert Fico lastet das Attentat auf ihn den Falschen an – nämlich den Medien in seinem Land.
Regierungschef Robert Fico lastet das Attentat auf ihn den Falschen an – nämlich den Medien in seinem Land. © picture alliance | Radovan Stoklasa

Der slowakische Regierungschef Robert Fico wurde Mitte Mai von einem Attentäter niedergeschossen. Nach dem Attentat hat die öffentliche Kampagne gegen Medien weiter zugenommen. Aus Sicht von Ficos Partei Smer sind die Schuldigen hinter den Schüssen klar: So sei die Polit-Berichterstattung im Lande für die aggressive Stimmung verantwortlich. Auch der Ministerpräsident selbst bekräftigte diese Vorwürfe bei seinem ersten öffentlichen Auftritt nach dem Anschlag. Hassrede gegen Medienschaffende begleitet seit Jahren Ficos Rhetorik gegenüber Reporterinnen und Reportern.

Die unabhängigen Medien in der Slowakei sehen sich hingegen selbst durch das Taktieren der Regierung bedroht, zum Beispiel durch die geplante Auflösung des öffentlich-rechtlichen Senders RTVS. Überdies ließ kürzlich ein Skandal den größten slowakischen Privatsender TV Markiza erbeben: Wiederholt beschwerten sich Journalistinnen und Journalisten über den Druck auf die Nachrichtenredaktion des Senders. In einigen Fällen wurden die Berichterstattenden angeblich davon abgehalten, den Ministerinnen und Ministern kritische Fragen zu stellen.

„Das neue Gesetz über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verstößt gegen europäische Gesetzgebung. Wir fordern die slowakische Regierung und das Parlament auf, den Gesetzentwurf zurückzuziehen und von jeglichem Druck auf die privaten Medien Abstand zu nehmen. Außerdem müssen die Leitungen der slowakischen Medienhäuser nun entschiedener denn je gegen jede Form der unzulässigen Beeinflussung vorgehen und die vom EMFA auferlegten Verpflichtungen einhalten”, sagt Anja Osterhaus, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen (RSF).

PPF Group – deutsche Geschäfte hinter dem Medienskandal

Die Geschäftsführung von TV Markiza hatte sich Anfang Juni zwar verpflichtet, den „faktenbasierten Journalismus” zu respektieren, schlug aber auch vor, dass Mitarbeiter, die „den ethischen Rahmen und die professionellen Standards nicht akzeptieren können”, kündigen sollten. Doch gerade dieser redaktionelle Rahmen des Senders wird von seinen Journalistinnen und Journalisten in Frage gestellt. Sie sollen unter anderem davon abgehalten worden sein, Kritikerinnen und Kritikern der Regierung Sendezeit einzuräumen. Der Streit gipfelte am 26. Mai, als Michal Kovacic – Moderator der beliebten Polit-Show „Na telo” – anprangerte, dass „der Druck nicht nur von den Politikern, sondern auch von unserem eigenen Management ausgeht”.  

Wie 42 andere Sender in sechs mittel- und osteuropäischen Ländern wird TV Markiza von der Central European Media Enterprises (CME) betrieben, die seit 2020 im Besitz der in Prag ansässigen PPF Group ist. Die Gruppe ist unter anderem in den Bereichen Medien, Transport oder Telekommunikation tätig. Kopf der PPF Group ist die reichste Frau Tschechiens, die Milliardärin Renáta Kellnerová. Aus deutscher Perspektive pikant: Renáta Kellnerová stieg 2023 zur zweitgrößten Aktionärin von ProSiebenSat.1 auf und hält 9,1 Prozent an dem in Bayern ansässigen Medienkonzern.

Angestellte streiken gegen bedrohlichen Gesetzentwurf

Am 10. Juni versammelten sich die Mitarbeitenden des öffentlich-rechtlichen Senders RTVS zum Streik gegen den Gesetzentwurf, der die Unabhängigkeit der öffentlichen Medien bedroht. 

Der Gesetzentwurf für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der darauf abzielt, das Slowakische Radio und Fernsehen (RTVS) durch eine neue Einrichtung, das Slowakische Fernsehen und Radio (STVR), zu ersetzen, wird diese Woche vom Parlament erörtert, nachdem er im Mai von der Regierung fertiggestellt wurde. Im Fall der Verabschiedung des Gesetzentwurfs beabsichtigt die Regierungskoalition, den derzeitigen Generaldirektor und den Aufsichtsrat vor Ablauf ihrer gesetzlichen Amtszeit abzusetzen.

Hintergrund sind Vorwürfe der Fico-Regierung, wonach die Sendeanstalt RTVS politisch voreingenommen sei. Oppositionspolitiker und regierungskritische Journalistinnen und Journalisten werfen der Koalition hingegen vor, die Medienanstalt durch einen beeinflussbaren Propagandasender der Regierung ersetzen zu wollen. In Umfragen wird RTVS  als objektiv und vertrauenswürdig eingeschätzt.



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