Türkei 02.02.2021

Solidarität mit Erol Önderoglu

Erol Önderoglu trägt einen grauen Schal über einem schwarzen Mantel und schaut mit ernstem Blick in die Kamera; hinter ihm sind zwei weitere Personen zu erkennen. Ein Mann auf der linken und eine Frau auf der rechten Seite
Erol Önderoglu © picture alliance / AA / Arif Hudaverdi Yaman

Einen Tag vor Beginn des Prozesses gegen Erol Önderoglu fordern Reporter ohne Grenzen und 16 weitere Menschenrechtsorganisationen die türkischen Behörden auf, die Vorwürfe gegen den RSF-Türkei-Repräsentanten fallenzulassen. Önderoglu drohen bis zu vierzehneinhalb Jahre Haft, weil er sich unermüdlich für den Medienpluralismus im Land eingesetzt hat. In der gemeinsamen Erklärung verurteilen die Organisationen die juristische Verfolgung von Medienschaffenden vor Ort.

Önderoglu und seine beiden Mitangeklagten, die Ärztin und Menschenrechtsaktivistin Sebnem Korur Financi sowie der Autor und Journalist Ahmet Nesin, stehen vor Gericht, weil sie 2016 an einer Solidaritätsaktion für die inzwischen verbotene pro-kurdische Zeitung Özgür Gündem teilgenommen hatten. Sie hatten jeweils für einen Tag symbolisch die Chefredaktion übernommen, um ihre Solidarität mit der Zeitung zu demonstrieren, die unter wachsendem Druck der Behörden stand. In erster Instanz waren sie am 17. Juli 2019 nach einem fast dreijährigen Gerichtsverfahren freigesprochen worden. Am 3. November 2020 ordnete ein Berufungsgericht jedoch eine Neuauflage des Prozesses an.

Daher sitzen Önderoglu und seine Mitangeklagten am morgigen Mittwoch erneut wegen „Terrorpropaganda“, „Rechtfertigung von Verbrechen“ und „Anstiftung zum Verbrechen“ auf der Anklagebank. Nach dem Anti-Terror-Gesetz Nr. 3713 und dem türkischen Strafgesetzbuch drohen ihnen nun bis zu vierzehneinhalb Jahre Haft.

Die Wiederaufnahme des Verfahrens zeigt, mit welcher Härte die Regierung des türkischen Präsidenten Erdogan gegen kritische Medienschaffende vorgeht. In keinem Land Europas sitzen mehr professionelle Journalistinnen und Journalisten im Gefängnis als in der Türkei. Die wenigen noch verbliebenen unabhängigen Medien werden schikaniert und marginalisiert.

Wir verurteilen die anhaltende Inhaftierung und Verfolgung von Medienschaffenden in der Türkei als autokratischen Versuch, alle kritischen Stimmen zum Schweigen zu bringen und unabhängige Journalistinnen und Journalisten daran zu hindern, ihre Arbeit zu machen.

Wir solidarisieren uns mit unserem Kollegen Erol Önderoglu, der in der Türkei seit vier Jahren juristisch verfolgt wird. Wir fordern die türkischen Behörden auf, die Vorwürfe gegen Önderoglu und seine beiden Mitangeklagten Sebnem Korur Financi und Ahmet Nesin fallenzulassen und Journalisten, Akademikerinnen und Schriftsteller nicht länger zu verfolgen.

+++ Hinweis für Redaktionen:
RSF-Geschäftsführer Christian Mihr wird den Auftakt des neuen Prozesses gegen Erol Önderoglu am 3. Februar vor Ort in Istanbul verfolgen und steht dort für Interviews zur Verfügung. +++

„Erol Önderoglu sollte für seine Arbeit ausgezeichnet werden. Stattdessen wird er aus willkürlichen Gründen verfolgt und schikaniert. Kein Land kann von sich behaupten, eine Demokratie zu sein, wenn Regierung und Justiz so gegen Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger vorgehen“, sagte RSF-Generalsekretär Christophe Deloire.

„Erol Önderoglu hat immer darauf geachtet, vor Ort mit den EFJ-nahen Gewerkschaften und Verbänden in der Türkei zusammenzuarbeiten. Die Schikane, die ihm nun widerfährt, soll alle Medienschaffenden im Land einschüchtern. Wir stehen an seiner Seite“, sagte EFJ-Generalsekretär Ricardo Gutierrez.

„Erol Önderoglu hat einen enormen Beitrag zur Verteidigung der Pressefreiheit in der Türkei geleistet. Seine Arbeit sollte gewürdigt und nicht bestraft werden. Die türkischen Behörden müssen die Vorwürfe gegen ihn fallenlassen, ihm erlauben, sicher im Land zu arbeiten und Maßnahmen ergreifen, um die verheerende Bilanz der Pressefreiheit in der Türkei zu verbessern“, sagte Gulnoza Said, CPJ-Programmkoordinatorin für Europa und Zentralasien.

„Dass Erol Önderoglu erst von falschen Anschuldigungen freigesprochen und dann wieder angeklagt wird, zeigt, wie fehlerhaft und rachsüchtig die türkische Justiz arbeitet. Dass engagierte Journalisten wie Önderoglu zum Schweigen gebracht werden sollen, muss endlich aufhören,” sagte IFEX-Geschäftsführerin Annie Game.

„Dass Erol Önderoglu immer noch für seine Solidaritätsaktion verfolgt wird, ist ein Armutszeugnis für den Zustand der Rechtsstaatlichkeit in der Türkei. Wir stehen an seiner Seite und fordern ein Ende dieser juristischen Schikane“, sagte Laurens Hueting, Advocacy-Referent des ECPMF.

„Die gerichtlichen Schikanen gegen Erol Önderoglu sind Teil des harten Vorgehens gegen die Meinungsfreiheit in der Türkei und stehen sinnbildlich für den Missbrauch von Gesetzen, den wir gegen Hunderte von Journalistinnen und Journalisten sowie Vertreter der Zivilgesellschaft im Land beobachten. Wir stehen solidarisch an seiner Seite und fordern, dass die Vorwürfe gegen ihn und seine Mitangeklagten Sebnem Korur Financi und Ahmet Nesin sofort fallengelassen werden“, sagte Sarah Clarke, Leiterin des Programms für Europa und Zentralasien von Article 19.

„In diesem Fall geht es um Erol Önderoglu, doch er hat Auswirkungen für jeden unabhängigen Journalisten und jede Bürgerin im Land. Wenn es den Behörden gelingt, Medienschaffende wie Erol Önderoglu mundtot zu machen, dann wird den Menschen in der Türkei ihr Recht auf Informationen verweigert und die Demokratie leidet. Lassen Sie die Vorwürfe sofort fallen!“, sagte IFJ-Generalsekretär Anthony Bellanger.

„Unser Kollege Erol Önderoglu kämpft seit vielen Jahren an vorderster Front für die Verteidigung der Meinungsfreiheit in der Türkei. Dies hat er mit Integrität, Unparteilichkeit und Objektivität getan. Dass ihm allein für die Verteidigung freier Medien eine Haftstrafe droht, ist die Verweigerung eben jener Rechte, für deren Schutz er gekämpft hat“, sagte Sara Whyatt, Koordinatorin des Regionalprogramms Europa von PEN International.

„Die andauernde Verfolgung von Erol Önderoglu, Sebnem Korur Financi und Ahmet Nesin zeigt, wie weit die türkischen Behörden gehen, um kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen. Wir fordern die Behörden auf, die Grundrechte der drei Menschenrechtsverteidiger vollständig und bedingungslos zu respektieren – nicht mehr und nicht weniger“, sagte Jessica Ni Mhainin, Referentin für Senior Policy Research und Advocacy bei Index on Censorship.

„Die andauernden gerichtlichen Schikanen gegen Erol Önderoglu und seine Mitangeklagten zeigen einmal mehr, dass die türkische Justiz instrumentalisiert wurde, um dem Durchgreifen der Regierung gegen Presse- und Meinungsfreiheit zu dienen. Der Fall soll diejenigen einschüchtern, die für die Verteidigung der Grundrechte in der Türkei ihre Stimme erheben. IPI und seine Mitglieder weltweit stehen solidarisch an der Seite von Erol,“, sagte der stellvertretende IPI-Direktor Scott Griffen.

Unterzeichnende Nichtregierungsorganisationen:

Article 19, Europäisches Zentrum für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF), Europäische Journalisten-Föderation (EFJ), Global Forum for Media Development (GFMD), IFEX, IFEX-ALC, Index on Censorship, International Federation for Human Rights (FIDH), Internationale Journalisten-Föderation (IFJ), International Media Support (IMS), International Press Institute (IPI), Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ), Media Foundation for West Africa (MFWA), PEN America, PEN International, Reporter ohne Grenzen (RSF), Wan-Ifra.



nach oben