Kroatien
27.09.2017
Späte Gerechtigkeit für Mord an Egon Scotland
Mehr als 26 Jahre nach der Ermordung des deutschen Journalisten Egon Scotland im Kroatienkrieg hat ein Gericht im kroatischen Split den damaligen Kommandeur einer serbischen Miliz zu 15 Jahren Haft verurteilt. Das Gericht befand Dragan Vasiljkovic unter anderem für schuldig an Kriegsverbrechen beim Angriff auf die Stadt Glina, bei dem ein Scharfschütze am 26. Juli 1991 den Reporter der Süddeutschen Zeitung erschoss. Im Gedenken an Scotland gründeten Freunde und Kollegen 1993 den Verein Journalisten helfen Journalisten, der seitdem unbürokratische Hilfe für verfolgte und bedrohte Journalisten weltweit organisiert. Auch für die Gründung der deutschen Sektion von Reporter ohne Grenzen ein Jahr später war sein Tod ein Anstoß.
„Selbst wenn es spät kommt, ist dieses Urteil ein wichtiges Signal gegen Straflosigkeit für die Gewalttaten, mit denen viele moderne Kriegsherren das Recht der Öffentlichkeit auf unabhängige Informationen brutal bekämpfen“, sagte ROG-Vorstandssprecher Michael Rediske. „Kriegstreiber und Milizen in aller Welt sollten aufmerksam registrieren, dass sie für ihre Verbrechen an Journalisten auch viele Jahre später noch zur Rechenschaft gezogen werden können.“
Vasiljkovic ordnete Angriff auf Glina persönlich an
Die von Dragan Vasiljkovic angeführte Miliz hatte das kroatische Glina am 25. Juli 1991 eingenommen. SZ-Journalist Scotland wollte dort am Tag darauf zusammen mit einem Kollegen nach einer vermissten Reporterin des österreichischen Fernsehens suchen. Wenige Hundert Meter vor der Stadt wurde er auf dem Beifahrersitz eines als Pressefahrzeug gekennzeichneten Autos tödlich von einer Kugel getroffen. Scotland war einer der ersten von mindestens 25 Journalisten, die in den jugoslawischen Zerfallskriegen von 1991 bis 1995 allein in Kroatien wegen ihrer Arbeit getötet wurden.
Das Gericht in Split urteilte am Dienstag, Vasiljkovic persönlich habe den Angriff auf die Polizeiwache in Glina und die Dörfer in der Umgebung angeordnet, während sich dort noch kroatische Zivilisten in ihren Häusern versteckt hielten. Vasiljkovic habe befohlen, aus allen verfügbaren Waffen zu schießen und auch zivile Ziele anzugreifen, was zum Tod von zwei Zivilisten geführt habe. Einer dieser Getöteten war Egon Scotland.
Vasiljkovic plädierte im Prozess auf nicht schuldig und bestritt, bei dem Angriff auf Glina das Kommando geführt zu haben. Das Verfahren gegen ihn bezeichnete er als politisch motiviert und als „unterdrückerischen, faschistischen Prozess“. Das Gericht verurteilte ihn auch wegen Misshandlungen an kroatischen Kriegsgefangenen in der Festung Knin im Juni und Juli 1991. Von der Verantwortung für einen dritten von der Anklage angeführten Fall sprach es ihn dagegen frei. Insgesamt hatten ihm bis zu 20 Jahre Haft gedroht.
Angeklagter lebte unter falschem Namen in Australien
Vasiljkovic, der als Milizenführer unter dem Kriegsnamen „Kapetan Dragan“ bekannt wurde, lebte nach dem Ende des Krieges unter falschem Namen in Australien, dessen Staatsbürgerschaft er neben der serbischen hat. 2005 enttarnte ihn dort eine australische Journalistin. Nach neun Jahren Rechtsstreit wurde Vasiljkovic im Juli 2015 nach Kroatien ausgeliefert, wo im September 2016 vor einem auf Kriegsverbrechen spezialisierten Gericht in der Stadt Split sein Prozess begann. Von seiner Haftstrafe muss er voraussichtlich nur noch rund drei Jahre verbüßen, weil er mit einer kurzen Unterbrechung bereits seit dem Jahr 2005 in Australien und seit seiner Auslieferung in Kroatien in Untersuchungshaft saß.
Auf der jährlichen Rangliste der Pressefreiheit steht Kroatien auf Rang 74 von 180 Staaten.
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