Verfassungsschutz
13.07.2020
Staatstrojaner gegen Journalisten
Die deutschen Geheimdienste sollen die Befugnis erhalten, Geräte zu hacken und Telefonate und Online-Chats auszuspähen. Auch Journalistinnen und Journalisten sollen mithilfe von Staatstrojanern abgehört werden dürfen. So sieht es ein Gesetzesentwurf zur Anpassung des Verfassungsschutzgesetzes vor, der laut Tagesordnung diesen Mittwoch vom Bundeskabinett verabschiedet werden könnte. In einer Stellungnahme übt Reporter ohne Grenzen (RSF) deutliche Kritik an dem Angriff auf die Vertraulichkeit journalistischer Kommunikation und den Quellenschutz und fordert die Bundesregierung auf, Journalistinnen und Journalisten mit anderen Berufsgeheimnisträgergruppen gleichzusetzen und ebenso wie Rechtsanwälte von der Befugnis auszunehmen.
Erst im Mai hatte das Bundesverfassungsgericht das 2017 in Kraft getretene Bundesnachrichtendienst-Gesetz unter anderem aufgrund unzureichender Vorkehrungen zum Schutz der Pressefreiheit für verfassungswidrig erklärt. Anstatt bestehende Missstände zu adressieren, legt die Bundesregierung nun einen Vorschlag vor, der die Befugnisse des Bundesnachrichtendienstes (BND) sowie des Verfassungsschutzes, der Landesämter für Verfassungsschutz und des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) erneut ausweitet und journalistische Schutzrechte aushöhlt. Die sogenannte Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) würde es den Geheimdiensten ermöglichen, laufende, auch verschlüsselte Kommunikation zu überwachen, insofern dem Informationsinteresse des Staates im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung Priorität gegenüber dem Eingriff in die Pressefreiheit eingeräumt wird.
„Mit diesem Gesetz beschädigt die Bundesregierung massiv das Vertrauen von Informantinnen und Informanten in die Vertraulichkeit ihrer Kommunikation mit den Medien“, sagte Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen. „Das Innenministerium liefert keinerlei Begründung dafür, warum das staatliche Hacken von Journalistinnen und Journalisten geboten sein sollte. Stattdessen führt sie einen beunruhigenden Trend der Aushöhlung journalistischer Schutzrechte im digitalen Raum fort, ohne dem Mehr an Befugnissen ein Mehr an Kontrolle entgegenzusetzen.“
Die Bundesregierung verpasst die Chance, die nachrichtendienstliche Kontrolle den digitalen Möglichkeiten und Ressourcen der Dienste anzupassen. Lediglich ein zusätzliches Beisitzeramt billigt der Gesetzesentwurf der G10-Kommission zu, die die Tätigkeiten der Nachrichtendienste des Bundes im Bereich des Fernmeldegeheimnisses prüft. Den deutlich erweiterten Befugnissen und technischen Möglichkeiten der Nachrichtendienste wird diese Anpassung nicht gerecht.
Auch seit Langem von Reporter ohne Grenzen geforderte Verbesserungen in Bezug auf die Informations- und Transparenzpflichten der Dienste und die Korrektur falscher Einträge zu Medienschaffenden in den Datenbanken bleiben aus. Dabei hatte beispielsweise eine Untersuchung der Hintergründe entzogener Akkreditierungen beim G7-Gipfel in Hamburg gezeigt, dass diese teils auf grobe Fehler der Behörden zurückzuführen waren. So verdichtet sich eine negative Gesamtschau, in der Missstände unberührt bleiben, den Nachrichtendiensten gleichzeitig aber immer neue Befugnisse eingeräumt werden, Medienschaffende allein aufgrund ihres Zugangs zu für die Sicherheitsbehörden interessanten Informationen auszuspähen.
Kritik kam zuletzt auch aus den Reihen der Telekommunikationsanbieter, die laut dem Gesetzesentwurf verpflichtet werden sollen Datenströme umzuleiten, um den Nachrichtendiensten das Aufspielen von Überwachungssoftware beispielsweise über gefälschte Softwareupdates zu ermöglichen. Ohnehin setzt staatliches Hacken voraus, dass die Behörden bewusst Sicherheitslücken offenhalten. Dies würde das Vertrauen aller Menschen in die Integrität der Technik untergraben, so die Aussage von Verbänden und Abgeordneten aus der Netzpolitik. Die Folge dieser Politik wäre ein genereller Verlust an IT-Sicherheit.
Deutschland steht in der Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 11 von 180 Ländern.
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