Iran / Polen / Türkei 07.11.2017

Tomas Piatek aus Polen ist Journalist des Jahres

© picture alliance/NurPhoto

Reporter ohne Grenzen (ROG) zeichnet Tomasz Piatek aus Polen als Journalist des Jahres 2017 aus. Der Investigativ-Reporter hatte in einem Buch scharfe Kritik am polnischen Verteidigungsminister geübt und ihm vorgeworfen, in illegale Waffen- und Geldgeschäfte mit Russland verstrickt zu sein. Dafür droht Piatek eine Anklage vor einem Militärgericht – ein im postkommunistischen Polen einmaliger Vorgang.

„Akribische Recherchen wie die von Piatek sind unerlässlich, um Lügen und Täuschungsmanöver von Politikern zu entlarven“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr in Berlin. „Engagierte Reporter wie er gewährleisten die demokratische Kontrolle von Regierungen. Wir müssen sie unterstützen, um den Nationalisten von der PiS und anderen Feinden einer offenen Gesellschaft nicht das Feld zu überlassen.“

 

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Als Medium des Jahres würdigt ROG die unabhängige türkische Nachrichtenwebseite Medyascope. Sie gibt verfolgten Journalisten und Bloggern durch Live-Videos und Podcasts eine Stimme und ermöglicht öffentliche Debatten über Themen, die in der Türkei unterdrückt werden. Zum Bürgerjournalist des Jahres kürte die Jury den Fotografen und Blogger Soheil Arabi aus dem Iran, der seit 2013 wegen regierungs- und islamkritischer Einträge auf Facebook im Gefängnis sitzt.

Mit den Preisen ehrt ROG jährlich Journalisten, Medien und Bürgerjournalisten, die sich in besonderer Weise um die Förderung oder Verteidigung der Pressefreiheit verdient gemacht haben. Die Preise werden am Dienstagabend in Straßburg verliehen.

Journalist des Jahres: Tomasz Piatek

Dem polnischen Journalisten Tomasz Piatek droht wegen eines Buches, das er im Sommer 2017 veröffentlichte, eine Anklage vor einem Militärgericht. Seit Juni 2016 hatte Piatek in der linksliberalen Tageszeitung Gazeta Wyborcza zwölf Artikel über Verteidigungsminister Antoni Macierewicz und dessen Verbindungen nach Russland veröffentlicht.

Ende Juni erschienen seine Recherchen unter dem Titel „Antoni Macierewicz und seine Geheimnisse“ als Buch und verursachten einen Skandal. Piatek beschreibt darin die engen Verbindungen des
Verteidigungsministers zum Umkreis von Wladimir Putin
, zum russischen Geheimdienst und zu kriminellen Gruppen in Russland und wirft ihm vor, in illegale Waffen- und Geldgeschäfte verstrickt zu sein.

Der Minister, der sich öffentlich stets als polnischer Patriot und entschiedener Gegner Putins darstellt, schaltete daraufhin die Staatsanwaltschaft ein, die den Fall ihrer Militärabteilung zuordnete. Unklar ist, warum nicht wie üblich ein ziviles Gericht den Wahrheitsgehalt der Recherchen prüft. Sollte es zu einer Anklage kommen, drohen Tomasz Piatek bis zu drei Jahre Haft. Reporter ohne Grenzen und andere Organisationen forderten Verteidigungsminister Macierewicz Mitte Juli in einem offenen Brief auf, die Anschuldigungen gegen Piatek fallen zu lassen.

Die national-konservative Regierung in Polen hat nach ihrem Amtsantritt Ende 2015 den öffentlichen Rundfunk unter ihre Kontrolle gebracht und rund 230 Journalisten entlassen, zur Kündigung gezwungen oder auf weniger einflussreiche Posten versetzt. Auch private regierungskritische Medien stehen seither stark unter Druck. Durch ein neues Gesetz will die Regierung den Anteil ausländischer Investoren auf dem Medienmarkt beschränken. Nach dem Machtwechsel ist Polen auf der Rangliste der Pressefreiheit um 36 Plätze auf Rang 54 von 180 Staaten gefallen.

Medium des Jahres: Medyascope

Die unabhängige türkische Nachrichtenwebseite Medyascope gibt verfolgten Journalisten und Bloggern durch Live-Videos und Podcasts eine Stimme. Gegründet im Jahr 2015 durch den bekannten türkischen Journalisten Rusen Cakir, berichtet der Online-Sender über Themen aus Politik, Gesellschaft, Kultur und Sport. Einige Sendungen werden auch auf Kurdisch, Englisch, Deutsch und Französisch übertragen. Dazu gehört etwa der wöchentliche englischsprachige Podcast „This Week in Turkey.“ Medyscope hat sich zum Ziel gesetzt, eine in der Türkei weitgehend unterdrückte öffentliche Debatte wieder zu ermöglichen. Das Land steht auf der Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 155 von 180 Staaten. Die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan hat den kurz nach dem Putschversuch im Juli 2016 ausgerufenen Ausnahmezustand für eine beispiellose Hexenjagd auf ihre Kritiker in den Medien genutzt.

Bürgerjournalist des Jahres: Soheil Arabi

Der Teheraner Fotograf Soheil Arabi sitzt seit Dezember 2013 im Gefängnis, weil er auf regierungskritischen Facebook-Seiten Einträge veröffentlicht haben soll, die den Islam infrage stellen. Er war monatelang in Einzelhaft und wurde misshandelt, um ihn zu einem Geständnis zu zwingen. Ein Urteil von zunächst drei Jahren Haft, 30 Peitschenhieben und einer Geldstrafe wurde im August 2014 auf Druck der Revolutionswächter in die Todesstrafe umgewandelt. Wenig später wurde jedoch auch dieses Urteil aufgehoben und Arabi im September 2015 zu siebenhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Im Juli 2017 wurde Arabis Frau verhaftet und blieb für acht Tage in Gewahrsam, seither wird sie immer wieder bedroht und eingeschüchtert. Arabi begann deshalb Ende August einen Hungerstreik.

Das Internet wird im Iran stark zensiert und überwacht. Kritische Journalisten und Blogger werden drangsaliert und für Delikte wie „Propaganda gegen den Staat“, „Verunglimpfung der Religion“ und „Feindschaft gegen Gott“ zu langen Freiheitsstrafen verurteilt. Ihre Haftbedingungen sind oft lebensgefährlich. Daran hat sich auch unter dem 2013 mit Reformversprechen angetretenen Präsidenten Hassan Rohani wenig geändert. Momentan sitzen im Iran 21 Journalisten und Blogger im Gefängnis. Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht das Land auf Platz 168 von 180 Staaten.

18 Nominierte, davon mehrere im Gefängnis

ROG verleiht den Preis „Journalist des Jahres“ seit 1992. Die Auszeichnung ist in jeder der drei Kategorien mit 2500 Euro dotiert. Viele der diesjährigen Nominierten kommen aus Ländern, in denen die Pressefreiheit massiv unterdrückt wird. Sie haben sich trotz Strafverfolgung, Drohungen oder Gewalt durch mutige, unabhängige Berichterstattung ausgezeichnet. Mehrere sitzen wegen ihrer Arbeit im Gefängnis.

In der Kategorie „Journalist des Jahres“ waren nominiert:
  • Tomasz Piatek (Polen)
  • Mehman Alijew (Aserbaidschan)
  • Rana Ayyub (Indien)
  • Alexander Sokolow (Russland)
  • Miguel Gutierrez (Kolumbien)
  • Masumeh Hidari (Afghanistan)
  • Carmen Aristegui (Mexiko) 

In der Kategorie „Medium des Jahres“ waren nominiert:
  • Mada Masr (Online-Zeitung, Ägypten)
  • Al-Wasat (Zeitung, Bahrain) 
  • The Cambodia Daily (Tageszeitung, Kambodscha)
  • Radio Jupiter (Radiosender, Madagaskar)
  • Rio Doce (Wochenzeitung, Mexiko)
  • Factum (Online-Magazin, El Salvador)
  • Medyascope (Online-Plattform, Türkei)

In der Kategorie „Bürgerjournalist des Jahres“ waren nominiert:
  • Ahmed Mansour (Vereinigte Arabische Emirate)
  • Pham Minh Hoang (Vietnam)
  • Maxence Mello (Tansania)
  • Soheil Arabi (Iran)


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