Journalismus in Zeiten von #MeToo
01.11.2024
Trotz Gewalt mehr Berichte zu Frauenrechten
Seit Beginn der #MeToo-Bewegung vor sieben Jahren, im Oktober 2017, hat die Berichterstattung zu Frauenrechten und geschlechtsspezifischer Gewalt deutlich zugenommen. Das ist ein Ergebnis des neuen Berichts „Journalism in the #MeToo Era“ von der internationalen Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF). Doch der Bericht zeigt auch, dass Journalistinnen und Journalisten, die zu Diskriminierung von und Gewalt gegen Frauen recherchieren, weltweit bedroht, inhaftiert oder sogar ermordet werden.
Mehr als ein Viertel (27 Prozent) der 113 weltweit für den Bericht befragten Journalistinnen und Journalisten gibt an, dass es für sie gefährlich sei, über feministische Themen zu berichten. Unter autoritären Regimen sind die Repressalien besonders schlimm. Fast ein Viertel der Befragten weiß von mindestens einer Person, die aufgrund ihrer Arbeit zu Frauenrechten Morddrohungen erhalten hat.
Auch Bedrohungen und Hass im Internet sind ein Problem: Fast 60 Prozent der befragten Medienschaffenden kennen mindestens eine Person, die aufgrund ihrer Berichterstattung zu den Rechten von Frauen im Internet belästigt wurde. Solche Angriffe müssen ernst genommen und stärker verfolgt werden.
RSF fordert daher die Regierungen auf, unabhängige Berichterstattung über geschlechtsspezifische Gewalt und Frauenrechte zu fördern sowie Journalistinnen und Journalisten vor Repressalien zu schützen. Social-Media-Plattformen müssen Online-Hass und Belästigungen besser bekämpfen und Redaktionen geschlechterspezifische Themen stärker in der Berichterstattung berücksichtigen.
Femizide an Journalistinnen
Seit 2017 wurden weltweit 40 Journalistinnen getötet. Mindestens zehn von ihnen widmeten sich in ihrer Berichterstattung den Rechten von Frauen und sexualisierter Gewalt. In Mexiko waren von den 56 Reporterinnen und Reportern, die seit 2017 getötet wurden, fünf Frauen. Zu ihnen gehört Miroslava Breach, Korrespondentin von La Jornada und Norte de Juarez, die 2017 im Bundesstaat Chihuahua erschossen wurde. Sie berichtete über das organisierte Verbrechen und Frauenmorde in Ciudad Juarez.
Weitere bekannte Fälle sind Lyra McKee und Kim Wall. McKee recherchierte zum Nordirlandkonflikt und LGBTQIA*-Rechten, wurde jedoch 2019 in Londonderry getötet. Die schwedische Reporterin Wall wurde 2017 von ihrem Interviewpartner sexuell missbraucht und ermordet. Sie setzte sich ebenfalls für Frauenrechte ein.
Virtuelle Gewalt mit realen Folgen
Journalistinnen sind besonders gefährdet, allein weil sie Frauen sind. Laut der Europäischen Frauenlobby haben Frauen ein 27-mal höheres Risiko, Opfer von Cybermobbing zu werden als Männer. Weltweit haben fast drei von vier Journalistinnen Online-Gewalt erlebt. Auf die Online-Gewalt folgen nicht selten auch physische Angriffe.
Die nigerianische Journalistin Kiki Mordi musste solche Bedrohungen am eigenen Leib erfahren: In ihrer Emmy nominierten BBC-Dokumentation „Sex for Grades“ deckte sie 2019 sexuelle Belästigung an Hochschulen in Nigeria und Ghana auf. Daraufhin tauchten ihre persönlichen Daten mitsamt ihrer Adresse im Internet auf, Verschwörungstheorien wurden verbreitet, die Täter wollten ihre Arbeit diskreditieren. Mordi musste drei Mal umziehen, um sich in Sicherheit zu bringen.
Die Journalistin ist mit ihrer Geschichte nicht alleine: Von den von RSF befragten Medienschaffenden kennen 44 Prozent mindestens eine Journalistin oder einen Journalist, die oder der zu Frauenrechten, Geschlechterfragen und/oder sexueller Gewalt arbeitete, aus Angst vor Repressalien jedoch Selbstzensur übt.
Positiver Einfluss von #MeToo: Mehr Berichte über Frauenrechte
#MeToo hat zum Glück aber auch positive Veränderungen gebracht: Über 80 Prozent der für den Bericht befragten Journalistinnen und Journalisten geben an, dass die Berichterstattung über Frauenrechte, Geschlechterfragen und geschlechtsspezifische Gewalt in ihren jeweiligen Ländern seit #MeToo zugenommen habe. Es entstanden neue Medien, die die weibliche Perspektive in den Fokus rücken, beispielsweise Bilan in Somalia.
Aber auch Strukturen innerhalb der Redaktionen wurden erneuert: Jessica Bennet startete 2017 als erste Gender-Redakteurin bei der New York Times, um mehr Geschichten über Frauen und geschlechtsspezifische Themen in die Zeitung zu bringen. Dutzende andere Medienhäuser folgten dem Beispiel.
nach oben
Folgen Sie uns!