China 07.10.2024

Uigurischer Journalist im Exil verfolgt

Kasim Kashgar (vordere Reihe Mitte) mit seinen ehemaligen Kollegen in Urumqi im August 2015 © privat

Auch im tausende Kilometer entfernten Exil spüren Journalistinnen und Journalisten den langen Arm des chinesischen Regimes. Das zeigt der Fall des in den USA lebenden uigurischen Reporters Kasim Abdurehim Kashgar. Nachdem er sich weigerte, seine kritischen Recherchen einzustellen, wurden mindestens zwölf seiner noch in China lebenden Bekannten festgenommen und befragt. Reporter ohne Grenzen kritisiert diese sogenannte transnationale Repression – die Verfolgung über nationale Grenzen hinweg –, mit der Peking seine Zensur auch ins Ausland ausdehnen möchte. Die Organisation fordert die internationale Gemeinschaft auf, Medienschaffende im Exil besser zu schützen.

Kashgar entschied 2017, China zu verlassen, als das Regime verstärkt gegen Uigurinnen und Uiguren in Xinjiang im Nordwesten Chinas vorging. Er floh in die USA, wo er zunächst unter einem Pseudonym für den Sender Voice of America (VOA) über die Verbrechen gegen die muslimische Minderheit in Xinjiang berichtet.

Doch im Exil geht die Verfolgung weiter. Anfang 2021 wurde Kashgar von einem Freund aus der Kindheit angerufen, der für einige Zeit in einem Umerziehungslager inhaftiert war. „Die chinesischen Behörden wussten, für wen ich arbeite, und baten meinen Freund, eine Nachricht zu übermitteln. Sie wollten, dass ich mich zurückhalte, und stattdessen Propaganda für sie betreibe,“ erzählt Kashgar RSF. Er weigerte sich. In den Monaten danach wurden mindestens zwölf seiner Bekannten in China festgenommen und über ihn befragt. Kashgar hatte in Xinjiang mit ihnen in einer Sprachschule zusammengearbeitet. 

„In ihrem Gerichtsprozess ging es nur um mich: Was wissen sie über meine journalistische Arbeit, wie stehen wir in Verbindung. Aber sie haben nur in der Sprachschule mit mir zusammengearbeitet und mit meiner journalistischen Arbeit nichts zu tun“, sagt er. Vier von ihnen wurden laut Kashgar zu sieben Jahren Haft verurteilt. Ein Freund von ihm, Mirkamil Ahmed, muss sogar neun Jahre ins Gefängnis. Das Schicksal der anderen ist nicht bekannt. Weil sie ins Visier geraten, leidet Kashgars psychische Gesundheit: Er bekommt Depressionen und Ängste. „Ich fordere die Behörden auf, sie freizulassen, denn sie haben nichts mit meiner Arbeit zu tun“, sagt Kashgar.

Der Journalist hat dafür umfangreich recherchiert. „Ich habe drei Jahre gebraucht, um die Festnahmen aufzudecken. Ich habe mich erst vor kurzem dazu entschlossen, an die Öffentlichkeit zu gehen, nachdem ich handfeste Beweise aus fünf verschiedenen, nicht miteinander verbundenen Quellen gesammelt hatte“, sagt Kashgar. Trotz des Drucks möchte er weiterarbeiten. Im Juni 2023 legte Kashgar seine wahre Identität in einer VOA-Dokumentation offen.

Seit 2016 führt Peking eine Unterdrückungskampagne in Xinjiang. Das Regime inhaftiert auch uigurische Journalistinnen und Journalisten. Prominente Fälle sind die seit mehr als zehn Jahren eingesperrten Medienschaffenden Ilham Tohti und Gulmira Imin. Die Repressionen treffen nicht nur die uigurische Community. In diesem Jahr nahm die Polizei zwei Journalisten aus der kasachischen Minderheit fest, die für den örtlichen Sender Xinjiang Television arbeiten.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht China auf Platz 172 von 180 Staaten. Mindestens 111 Medienschaffende sitzen dort wegen ihrer Arbeit im Gefängnis, mehr als in jedem anderen Land.



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