Russland
05.10.2020
Unabhängige Journalistin verbrennt sich selbst
Reporter ohne Grenzen ist schockiert über den Tod der russischen Journalistin Irina Slawina. Die Gründerin des lokalen Nachrichtenportals Kozapress zündete sich am Freitag (2.10.) in der Nähe des Polizeipräsidiums von Nischni Nowgorod, einer Millionenstadt an der Wolga, selbst an. Wenig später starb sie an den Folgen der Verbrennungen. Am Tag zuvor hatten Sicherheitskräfte ihre Wohnung durchsucht und mehrere Laptops und Mobiltelefone mitgenommen. Vor ihrem Tod schrieb Slawina auf Facebook: „Ich bitte Sie, für meinen Tod die Russische Föderation verantwortlich zu machen.“
Slawina hatte 2015 die Nachrichtenseite Kozapress gegründet, die mit dem Slogan „Keine Zensur, keine Befehle von oben“ warb. Sie stand seither im Visier der Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor, wurde mit Gerichtsverfahren überzogen und mehrfach zu hohen Geldbußen verurteilt – unter anderem, weil sie sich für den 2015 ermordeten Oppositionspolitiker Boris Nemzow eingesetzt hatte. Zuletzt wurde im Juni 2020 ein Verwaltungsverfahren gegen Slawina eingeleitet, weil sie angeblich Falschinformationen über die Corona-Pandemie verbreitet habe.
„Irina Slawina war in Nischni Nowgorod eine bekannte mutige Journalistin, die auf Grund ihrer Recherchen zu Korruption immer wieder bei lokalen Eliten und Behörden aneckte“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Die russischen Behörden müssen die Hintergründe unabhängig aufklären und jeden Verdacht ausräumen, dass Irina Slawina mit ihrem erschütternden Selbstmord nicht womöglich einem Mord zuvorgekommen ist.“
Reporter ohne Grenzen hatte Ende 2019 ein ausführliches Porträt von Irina Slawina im Bericht „Alles unter Kontrolle. Internetzensur und Überwachung in Russland“ veröffentlicht.
Seit dem Amtsantritt Wladimir Putins als Präsident im Jahr 2000 wurden in Russland mindestens 36 Journalistinnen und Journalisten ermordet.
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