Belarus 05.11.2020

Unterstützung für bedrängte Zivilgesellschaft

Bei einer Demonstration in Minsk wird ein Plakat mit der Aufschrift "Die nächste Verfassung schreiben wir ohne dich, Usurpator!" hochgehalten
"Die nächste Verfassung schreiben wir ohne dich, Usurpator!" © picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Uncredited

Knapp drei Monate nach Beginn der Proteste gegen Präsident Alexander Lukaschenko fordert Reporter ohne Grenzen (RSF) konkrete Hilfe für unabhängige Medienschaffende in Belarus. RSF begrüßt deshalb den Beschluss des Bundestages, die Opposition in dem osteuropäischen Land zu unterstützen.

Seit der umstrittenen Wahl am 9. August wurden bei der Berichterstattung über die Proteste in Belarus rund 320 Journalistinnen und Journalisten vorübergehend festgenommen, etwa 60 Medienschaffende wurden im Gefängnis geschlagen oder gefoltert. Die Justiz geht seit dieser Woche auch mit Strafverfahren gegen mehrere Journalisten vor, denen nun mehrjährige Haftstrafen drohen. Bisher waren lediglich Arreststrafen von bis zu 15 Tagen oder Geldbußen verhängt worden.

Der Deutsche Bundestag hatte gestern (4.11.) beschlossen, die belarusische Opposition mit konkreten Maßnahmen zu unterstützen. Die Abgeordneten folgten einem gemeinsamen Antrag von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen und fordern die Bundesregierung auf, Journalistinnen und Journalisten zu helfen, die von den jüngsten Repressionen betroffen sind. Außerdem fordert der Beschluss, unabhängige Medien sowohl in Belarus als auch im Ausland finanziell zu fördern. Darüber hinaus diskutierte der Bundestag in erster Lesung über einen Antrag der FDP-Fraktion, der die Deutsche Welle stärken will und die Schaffung eines russischsprachigen TV-Vollprogramms für Belarus sowie ein eigenes DW-Korrespondentenbüro in Minsk fordert.

„Der Beschluss des Bundestags ist ein deutliches Signal der Unterstützung für unabhängige Medienschaffende in Belarus“ sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr in Berlin. „Deutschland schließt sich damit Litauen und Polen an – Ländern, in die zahlreiche belarusische Reporterinnen und Reporter vor brutaler Polizeigewalt geflohen sind und von wo aus seit Jahren Exil-Medien wie Belsat TV berichten. Das Strafverfahren gegen drei Belsat-Journalisten in Belarus markiert eine neue Stufe der Unterdrückung unabhängiger Medien durch das Regime Lukaschenko.“

Am vergangenen Sonntag (1.11.) waren die Sicherheitskräfte erneut mit großer Gewalt gegen Protestierende vorgegangen. Die Polizei setzte Blendgranaten ein und feuerte Warnschüsse ab, mehr als 200 Menschen wurden festgenommen. Darunter waren laut der Belarusischen Journalistenvereinigung (BAJ) auch acht Journalistinnen und Journalisten. Sie arbeiteten für die Wochenzeitung Nowy Tschas (Dmitri Dmitrijew, Alexander Sjankowitsch, Jana Trusilo, Alena Ljaschkewitsch), den in Polen ansässigen Exil-Sender Belsat TV (Dmitri Soltan, Dmitri Krawtschuk, Artem Bogoslawski) und die russische Nachrichtenagentur TASS (Juri Schamschur). Zwei Reporter wurden bei der Festnahme geschlagen.

Die drei Belsat-Mitarbeiter wurden am Montag zu Verdächtigen in einem Strafverfahren nach Artikel 342 des belarusischen Strafgesetzbuches („Massenunruhen“) erklärt, ihnen drohen damit bis zu drei Jahre Haft. Andere am Wochenende festgenommene Medienschaffende wurden zu Arreststrafen zwischen 10 und 13 Tagen verurteilt. Eine Strafe von 15 Tagen Arrest erhielt Pawel Dobrowolski, der für die unabhängige Nachrichtenagentur BelaPAN arbeitet und bereits am Freitag festgenommen worden war.

Insgesamt wurden seit der umstrittenen Wahl am 9. August rund 320 Journalistinnen und Journalisten bei der Berichterstattung über die Proteste vorübergehend festgenommen. Fast die Hälfte blieb mehr als drei Stunden in Gewahrsam (157 Fälle). 60 Medienschaffende wurden im Gefängnis geschlagen oder gefoltert, 55 verbüßten Arreststrafen zwischen 10 und 15 Tagen. Zum jetzigen Zeitpunkt sitzen in Belarus acht Reporterinnen und Reporter hinter Gittern. Die RSF-Partnerorganisation BAJ dokumentiert diese Fälle in einer fortlaufenden Statistik.

Auf der weltweiten Rangliste der Pressefreiheit steht Belarus auf Rang 153 von 180 Staaten.



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