Deutschland
11.12.2019
Urheberrecht nicht zur Zensur missbrauchen
Reporter ohne Grenzen und vier weitere zivilgesellschaftliche Organisationen fordern die Bundesregierung in einem offenen Brief auf, den Missbrauch des Urheberechts zur Geheimhaltung amtlicher Dokumente abzustellen. Jüngster Anlass ist eine Klage der Bundesregierung gegen die Veröffentlichung eines Gutachtens zu Krebsrisiken des umstrittenen Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat.
Das Informationsfreiheitsportal FragDenStaat hatte das Gutachten des Bundesinstituts für Risikobewertung auf der Grundlage des Umweltinformationsgesetzes angefragt, erhalten und veröffentlicht. Das Institut, das dem Bundeslandwirtschaftsministerium untersteht, war mit einer einstweiligen Verfügung gegen die Veröffentlichung gescheitert. Nun geht es nun mit einer Klage dagegen vor und argumentiert dabei mit dem Urheberrecht.
Dieses Vorgehen ist kein Einzelfall. Immer wieder setzen Bundesbehörden das Urheberrecht mit dem offensichtlichen Ziel ein, das öffentliche Bekanntwerden bestimmter Schriftstücke zu verhindern, die nicht nur nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, sondern nach allen Grundlagen verantwortungsbewussten staatlichen Handelns frei zugänglich sein sollten. Das Verteidigungsministerium zum Beispiel klagte mit dieser Argumentation bis zum Europäischen Gerichtshof gegen die Veröffentlichung von militärischen Lageberichten, den sogenannten Afghanistan-Papieren. Dabei erreichen die Dokumente mutmaßlich nicht einmal die für urheberrechtliche Ansprüche geforderte Schöpfungshöhe.
In dem heutigen offenen Brief an Bundesjustizministerin Christine Lambrecht fordern FragDenStaat, Reporter ohne Grenzen, Wikimedia Deutschland, der Deutsche Journalisten-Verband sowie die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union die Bundesregierung deshalb auf, den Missbrauch urheberrechtlicher Ansprüche bei vom Bundverantworteten Inhalten zu stoppen und künftig zu unterlassen.
Außerdem rufen sie die Regierung auf, bei der anstehenden Umsetzung der EU-Richtlinie zum Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt die Regelungen des Urheberrechtsgesetzes zu amtlichen Werken so auszugestalten, dass der intendierte freie Zugang beispielsweise von Journalistinnen und Journalisten zu staatlichen Publikationen praktisch erleichtert wird. Konkret sollte die Regierung dazu die Urheberrechtsausnahme für „andere amtliche Werke“ mit einer Vermutungsregelung versehen, derzufolge nicht anderweitig gekennzeichnete Inhalte, die im Verantwortungsbereich der öffentlichen Hand erstellt wurden, im Zweifel urheberrechtsfrei sind.
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