Russland 17.04.2025

Vier Journalisten als „Extremisten“ verurteilt

Die Medienschaffenden Konstantin Gabow, Sergej Karelin, Antonina Kratsowa (Faworskaja) und Artjom Kriger vor Gericht.
Die Medienschaffenden Konstantin Gabow, Sergej Karelin, Antonina Kratsowa (Faworskaja) und Artjom Kriger vor Gericht (von links nach rechts). © picture alliance / Sipa USA |Kommersant Photo Agency

Der Kampf des Kremls gegen unabhängigen Journalismus erreicht eine neue Eskalationsstufe: Am 15. April 2025 verurteilte ein Moskauer Gericht vier Medienschaffende zu jeweils fünfeinhalb Jahren Haft. Der Grund: Sie sollen angeblich mit der Anti-Korruptionsstiftung des im vergangenen Jahr verstorbenen russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny zusammengearbeitet haben. Die Stiftung wurde im Jahr 2021 als extremistische Organisation eingestuft. Die Verurteilten weisen die Vorwürfe zurück. Der Prozess fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

„Die Verurteilung von gleich vier Medienschaffenden zeigt erneut die tiefgreifende Verachtung des Kremls für die Pressefreiheit“, sagt Anja Osterhaus, Geschäftsführerin von Reporter ohne Grenzen (RSF). „Die Journalistinnen und Journalisten sind unschuldig und wurden aufgrund ihrer unabhängigen Berichterstattung verurteilt. Sie müssen sofort freigelassen werden.“

Berichte über Nawalny sind unerwünscht

Die vier Medienschaffenden waren zwischen März und Juni 2024 festgenommen worden. Antonina Krawtsowa hatte unter dem Namen Antonina Faworskaja für die unabhängige Nachrichtenseite Sotavision über die Strafverfahren gegen Alexej Nawalny berichtet. Die Journalistin nahm unter anderem während einer Gerichtsverhandlung das letzte Video des Oppositionspolitikers auf. Außerdem dokumentierte sie, wie Menschen nach der Beisetzung Nawalnys Blumen an seinem Grab niederlegten. Bei einem dieser Friedhofsbesuche wurde Krawtsowa festgenommen.

Den Videojournalisten Konstantin Gabow und Sergej Karelin wird vorgeworfen, für Nawalnys in Onlinemedien gearbeitet zu haben. Beide waren als freiberufliche Journalisten für ausländische Medien tätig: Gabow arbeitete für Reuters und das US-finanzierte Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL). Karelin war für die Deutsche Welle und die US-amerikanische Nachrichtenagentur Associated Press tätig. Artjom Kriger berichtete für die unabhängige Nachrichtenagentur Sotavision über politische Proteste und Prozesse in Russland.

Einschüchtern und Festnehmen

Russische Medienschaffende, die über den Prozess oder Nawalny berichteten, wurden wiederholt  eingeschüchtert. Unter anderem hielt die Polizei die für Sotavision tätige Journalistin Jekaterina Anikijewitsch am 20. März 2025 mehrere Stunden ohne Erklärung und Zugang zu ihrem Anwalt fest. In der Großstadt Ufa wurde die Journalistin Olga Komljewa im März 2024 in Untersuchungshaft gesteckt. Die Mitarbeiterin der unabhängigen Medienplattform RusNews wird der Zusammenarbeit mit einer extremistischen Organisation beschuldigt. Der Vorwurf bezieht sich auf Nawalnys Anti-Korruptionsstiftung, in der sich Komljewa vor dem Jahr 2021 als Freiwillige engagierte. Außerdem wird ihr die Verbreitung von Falschinformationen über das russische Militär vorgeworfen.

Journalisten verlassen Russland oder landen hinter Gittern

In Russland sitzen mindestens 38 Medienschaffende hinter Gittern – darunter 18 ukrainische Journalistinnen und Journalisten. Damit zählt das Land nach China, Myanmar und Belarus zu den Staaten mit den meisten inhaftierten Medienschaffenden. Seit dem Beginn der Vollinvasion in die Ukraine im Februar 2022 haben mehr als 1500 Journalisten und Journalistinnen Russland verlassen. In der Rangliste der Pressefreiheit belegt Russland Platz 162 von 180 Ländern.



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