Serbien 04.04.2025

Wachsende Gefahren für Medienschaffende

Tausende Demonstranten halten ihre Handylichter und serbische Flaggen hoch.
Die Zahl der Angriffe auf unabhängige Medienschaffende in Serbien nimmt zu. © picture alliance/ ASSOCIATED PRESS | Armin Durgut

Die Pressefreiheit in Serbien ist zunehmend bedroht: Seit fünf Monaten werden Journalistinnen und Journalisten während der Berichterstattung über Antikorruptionsproteste schikaniert und körperlich angegriffen. Zudem werden Medienschaffende vom serbischen Geheimdienst BIA gesetzwidrig abgehört und unabhängige Medien verfolgt und kriminalisiert. Reporter ohne Grenzen (RSF) fordert eine sofortige Untersuchung und Verurteilung dieser Angriffe. Die Europäische Union (EU) muss entschlossen gegen die Angriffe auf die Pressefreiheit in Serbien vorgehen.

„Während sich die Schlinge um Medien sowie Journalistinnen und Journalisten in Serbien immer weiter zuzieht, darf die Europäische Union nicht länger wegsehen. Auf die serbische Regierung und Behörden ist kein Verlass, wenn es darum geht, Angriffe auf die Presse zu stoppen”, sagt RSF-Geschäftsführerin Anja Osterhaus. „Der Schutz der Pressefreiheit ist ein entscheidendes Kriterium für Serbiens Beitritt in die EU. Die deutsche Regierung muss diese Verstöße klar verurteilen.”

Gewalt bei Antikorruptionsprotesten

Seit November 2024 finden in Novi Sad, der zweitgrößten Stadt Serbiens, fast täglich Antikorruptionsproteste statt. Auslöser war der Einsturz eines Bahnhofsdachs, der 16 Menschen das Leben kostete. Seitdem nimmt die Zahl der Angriffe auf unabhängige Journalistinnen und Journalisten zu. Sie werden schikaniert, diffamiert und sind zunehmend Gewalt ausgesetzt – sowohl durch die Polizei als auch durch Anhänger von Präsident Aleksandar Vučić. Mit Einschüchterung und körperlichen Angriffen soll die Berichterstattung über die Proteste verhindert werden. Manche Reporterinnen und Reporter müssen aus Sicherheitsgründen die Arbeit rund um die Proteste abbrechen. Der zurückgetretene Ministerpräsident Milos Vučević hinterlässt eine fatale Bilanz der Pressefreiheit: Mindestens zwölf Journalistinnen und Journalisten wurden bislang bei den Protesten angegriffen.

So attackierte am 23. März ein Aktivist der Serbischen Fortschrittspartei den Reporter Sasa Dragojlo vom Balkan Investigative Reporting Network (BIRN) während einer Protestveranstaltung im Belgrader Stadtteil Zvezdara. Er hatte gerade davon berichtet, wie Anwohner gegen Werbestände der Regierungspartei demonstrierten. Mehrere Polizeibeamte entfernten den Angreifer. Die Beamten weigerten sich jedoch, dessen Identität festzustellen.

Ein anderes Problem sind willkürliche Einreisebeschränkungen für investigative Medienschaffende: Bereits am 15. März wurde der kroatischen Journalistin Iva Anzulović die Einreise nach Serbien verweigert, da sie angeblich als Sicherheitsrisiko galt. Das gleiche geschah mit dem Team des kroatischen Fernsehsenders RTL, das an der Grenze gestoppt und zurückgeschickt wurde.

Am 27. November 2024 wurde Jelena Mirkovic, Journalistin des unabhängigen Senders N1, bei einem regierungskritischen Protest in Belgrad zweimal von Vučić-Anhängern angegriffen. Auch ihr Kameramann Aleksandar Cvrkotić erlitt Verletzungen, die im Krankenhaus behandelt werden mussten. Am 17. Januar wurden fünf weitere Medienschaffende – Darko Eker (TV Nova S), Dragana Prica Kovačević und Žarko Bogosavljević (Radio 021), Ksenija Pavkov (N1) und Aleksandar Latas (Danas) – bei Protesten in Novi Sad von der Polizei attackiert.

Die Staatsanwaltschaft hat mittlerweile Ermittlungen zu mindestens vier Angriffen auf Reporterinnen und Reporter eingeleitet.

Systematischer Druck auf unabhängige Medien

Ende Februar 2025 führte die Polizei eine Razzia in den Büroräumen des Center for Research, Transparency and Accountability (CRTA) durch, welches die Faktencheck-Seite Istinomer.rs betreibt. Betroffen waren auch drei weitere Nichtregierungsorganisationen. Die Durchsuchung steht im Zusammenhang mit Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen angeblicher Geldwäsche und Veruntreuung von USAID-Geldern. Kurz zuvor wurde in das Büro des Unabhängigen Journalistenverbands der Vojvodina (NDNV) Serbien eingebrochen und dessen Präsidentin erhielt Morddrohungen. Die Vojvodina ist eine autonome Region im Norden des Landes. 

Darüber hinaus zeigt der Bericht „Digitales Gefängnis: Überwachung und Unterdrückung der Zivilgesellschaft in Serbien“ von Amnesty International und der RSF-Partnerorganisation Balkan Investigative Reporting Network , dass der serbische Geheimdienst BIA Medienschaffende gesetzwidrig abhört.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Serbien auf Platz 98 von 180 Ländern und damit im Hinblick auf alle EU- sowie EU-Beitrittsländer auf dem vorletzten Platz.



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