Online-Diskussion am 13.01.2021 ICS

Wie Polens und Ungarns freie Medien retten?

Der polnische Präsident Andrzej Duda und der ungarische Premierminister Viktor Orban schütteln sich bei einem Treffen im Präsidentenpalast in Warschau die Hände.
Andrzej Duda und Viktor Orban bei einem Treffen in Warschau. © picture alliance / NurPhoto | Mateusz Wlodarczyk

Unbeeindruckt von aller Kritik ihrer europäischen Nachbarn treiben die Regierungen in Polen und Ungarn den Abbau der Pressefreiheit voran. Im Rahmen eines Themenschwerpunkts Osteuropa lädt Reporter ohne Grenzen deshalb ein zu einer Online-Podiumsdiskussion über aktuelle Entwicklungen in beiden Ländern und Handlungsmöglichkeiten der Europäischen Union. Unter dem Titel „Wie sind Polens und Ungarns freie Medien noch zu retten?“ diskutieren

  • Gábor Polyák, Professor für Medienrecht und Leiter des Thinktanks Mérték Monitor (Ungarn), und
  • Karolina Zbytniewska, Chefredakteurin von EurActiv Polen.
  • Moderation: Christoph Dreyer, RSF-Pressereferent

Wann: am Mittwoch, 13. Januar 2021 von 18 Uhr bis 19:30 Uhr
Wo: live auf der Online-Plattform BigBlueButton. Zusätzlich wird die Veranstaltung auf den Social-Media-Kanälen von RSF gestreamt.

Die gesamte Veranstaltung findet auf Englisch (ohne Übersetzung) statt.

Bitte melden Sie sich per E-Mail an event@reporter-ohne-grenzen.de zur Teilnahme an. Sie erhalten dann rechtzeitig vor der Veranstaltung einen Link zum Login auf BigBlueButton.

Demonstrative Schritte gegen Medienfreiheit

Während die EU noch um schärfere Mittel gegen Grundrechtsverletzungen ihrer Mitglieder rang, kaufte in Polen im Dezember der staatlich kontrollierte Ölkonzern Orlen den Verlag Polska Press, dem ein Großteil der regionalen Tages- und mehr als 100 lokale Wochenzeitungen gehören. Geradezu demonstrativ treibt die nationalkonservative Regierung in Warschau damit das seit ihrer Regierungsübernahme vor fünf Jahren angekündigte Projekt einer „Repolonisierung“ der Medien voran. Die Corona-Krise arbeitet ihr dabei in die Arme, indem sie den ohnehin hohen wirtschaftlichen Druck auf unabhängige Medien verschärft.

Polens öffentliches Fernsehen ist längst fest in der Hand der Regierungspartei PiS und macht unverhohlen Stimmung für deren Ziele. Unabhängige Medien werden mit Klagen überzogen – allein die Zeitung Gazeta Wyborcza zählt aktuell 57 davon – und von Werbeeinnahmen abgeschnitten. Zuletzt häuften sich beim teils brutalen Vorgehen der Polizei gegen die Massenproteste für Abtreibungs- und Frauenrechte gewaltsame Übergriffe gegen Journalistinnen und Journalisten.

Ungarns Regierung hält ihre europäischen Kritikerinnen und Kritiker seit zehn Jahren mit immer dreisteren Einschränkungen der Pressefreiheit zum Narren. Nach und nach schaltet sie wichtige unabhängige Medien aus. Derzeit bangt der Radiosender Klubrádió um seine am 14. Februar auslaufende terrestrische Sendelizenz. Er gilt als letzter unabhängiger Radiosender in der Hauptstadt Budapest und war schon vor Jahren Gegenstand erbitterter Lizenzstreitigkeiten mit der Regierung. Im Herbst hatte der von der Regierung kontrollierte Medienrat dem Sender mitgeteilt, wegen eher marginaler Regelverstöße werde die Lizenz nicht verlängert, sondern neu ausgeschrieben.

Vergangenen Sommer kündigte ein Großteil der Redaktion beim größten ungarischen Nachrichtenportal Index.hu, als deutlich wurde, dass der neue Eigentümer seines Mutterunternehmens die redaktionelle Unabhängigkeit nicht mehr respektierte. Laut einer aktuellen Analyse des Investigativportals Válasz Online gehören inzwischen 44 der 88 landesweit relevanten Nachrichtenmedien Eigentümern mit engen Bindungen an die Regierungspartei Fidesz, bei Fernsehsendern und Zeitungen sogar zwei Drittel.

Was bringt der neue EU-Rechtsstaatsmechanismus?

Die EU sieht dem Abbau der Pressefreiheit in beiden Ländern seit Jahren weitgehend hilflos zu. Im Dezember einigte sie sich nach zähem Ringen auf einen „Rechtsstaatsmechanismus“, der es künftig möglich machen soll, Mitgliedsländern bei systematischen Verstößen gegen EU-Grundwerte Fördermittel zu streichen. Um den Regierungen in Budapest und Warschau die Zustimmung dazu abzuringen, sicherten der Europäische Rat und die Kommission allerdings zu, vor der ersten Anwendung des Mechanismus den Ausgang einer Nichtigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof abzuwarten. Dies dürfte den Einsatz des neuen Instruments um ein bis zwei Jahre verzögern.

Zugleich ist die EU äußerst zögerlich bei der Anwendung längst vorhandener Sanktionsmöglichkeiten. Ein Beispiel ist die faktische Subventionierung regierungsnaher Medien in Ungarn durch die extrem einseitige Verteilung staatlicher Werbemittel. Bei entsprechendem politischem Willen böte diese Praxis durchaus Ansatzpunkte für Strafmaßnahmen nach dem EU-Wettbewerbsrecht.

In der Diskussion wollen wir deshalb fragen: Wie beurteilen Journalistinnen, Journalisten und Zivilgesellschaft vor Ort die aktuellen Entwicklungen der Pressefreiheit in Polen und Ungarn? Ist der neue Rechtsstaatsmechanismus geeignet, Forderungen der EU mehr Schlagkraft zu verleihen? Was müsste geschehen und was könnte die EU dazu beitragen, um dem Abbau der Pressefreiheit in diesen Ländern deutlich wirksamer als bisher entgegenzuwirken?

Veranstaltungsreihe „EUrosion der Pressefreiheit“

Die Podiumsdiskussion ist Teil eines RSF-Themenschwerpunkts zur EUrosion der Pressefreiheit in Osteuropa. Zum Auftakt diskutierten Katarina Barley, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Michal Kokot von der polnischen Zeitung Gazeta Wyborcza und Kai-Olaf Lang von der Stiftung Wissenschaft und Politik, wie das EU-Grundrecht auf Medienfreiheit wirksamer als bisher durchgesetzt werden kann. In einer weiteren Veranstaltung wird RSF die Lage der Medien in Slowenien und der Slowakei näher beleuchten und nach Handlungsmöglichkeiten mit Blick auf die dortigen Entwicklungen fragen.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Polen auf Platz 62 und Ungarn auf Platz 89 von 180 Ländern.



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